Kolumne
Emotionen und verstopfte Toiletten

Der Autor ist in São Paulo geboren und kam als 7-Jähriger in die Schweiz. Seit 9 Jahren arbeitet er immer wieder als Journalist für die az. An den Olympischen Spielen in Rio betreut er hauptsächlich das Team von Puerto Rico.

Daniel Vizentini
Daniel Vizentini
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Habe ich mich oft aufgeregt in den letzten Tagen: über den quälend ineffizienten öffentlichen Verkehr, über das lange Anstehen praktisch überall, über die unglaublichen Baumängel. Seit zwei Wochen arbeite ich nun als Helfer an den Olympischen Spielen in Rio, genauer im olympischen Dorf, wo Sportler und Kommissare ihre Büros haben und übernachten. Und in dieser Zeit galt es, Hunderte kleine Katastrophen zu beheben. Verstopfte Toiletten etwa waren an der Tagesordnung: Einerseits, weil viele Athleten aus dem Norden nicht immer daran denken, dass man in Südamerika das Klopapier nicht hinunterspült, sondern in den Papierkorb nebenan wirft, andererseits aber auch, weil die Badezimmer schlecht gebaut wurden.

31 Türme mit insgesamt 3600 Wohnungen hat das olympische Dorf. Die letzten Türme, die etwa die Teams von Argentinien, Australien oder Deutschland bewohnen, wurden erst kurz vor Bezug durch die Sportler fertiggebaut und zwar auffallend unsorgfältig, da in grosser Eile. Im Gebäude, in dem ich arbeite, sorgten gebrochene Wasserleitungen für überschwemmte Wohnungen, tropfende Decken und einen regelrechten Wasserfall bei der Rezeption im Parterre. Bei den Deutschen soll sogar eine Türe hingefallen sein, erzählte mir eine Helferin. Man stelle sich vor, ein Sportler hätte sich dabei verletzt.

Dank grossem Einsatz – und Improvisationsvermögen – der Klempner ist das meiste nun behoben. Und die neue U-Bahn-Linie mit ihren nur fünf Haltestellen wurde vor einer Woche in Betrieb genommen und hat meinen Arbeitsweg von zwei Stunden um 30 Minuten verkürzt. Trotzdem: Darauf vertrauen, dass die Dinge immer funktionieren, kann man hier nicht. Völlig zurecht schrieb az-Korrespondent Klaus Zaugg letzte Woche denn auch, die Spiele in Rio würden den verwöhnten Norden wieder etwas lehren, was er bereits vergessen hatte: nämlich Geduld. In Rio muss man damit rechnen, dass die Dinge länger brauchen als in Europa. Sich darüber aufregen bringt nichts. Und sowieso: Spitzensportereignisse leben nicht nur von Perfektion, sondern von Emotionen und den Geschichten, die entstehen. Die wunderschön inszenierte Eröffnungsfeier zum Beispiel hat mich sehr berührt. Da hat für einmal alles einwandfrei funktioniert. Dem in letzter Zeit geknickten Selbstvertrauen der Brasilianer hat dies immens gut getan.

Die Schweizer übrigens bewohnen eines der ersten, schon seit längerem fertig erstellten Gebäude. Von Baumängeln dort habe ich deshalb nichts gehört, dafür aber, dass es immer Schokolade und Kägifret zum Mitnehmen gibt. Ob das stimmt, will ich diese Woche herausfinden. Nächsten Montag erfahren Sie mehr.