Die ehemalige BT-Redaktorin Erna Jonsdottir über die isländische Nationalmannschaft, weshalb sie am Sonntag nicht im Stadion ist und vor dem Fernseher feuchte Augen kriegt.
An der Fussball-EM in Frankreich lehrt das Fussballnational-Team von Island den grossen Fussballnationen das Fürchten. Nach zwei Remis gegen Portugal und Ungarn und einem 2:1-Sieg gegen Österreich besiegten die Insulaner zur grossen Überraschung vieler auch die Engländer im Achtelfinal. Nun fiebern die rund 300 000 Isländer dem Viertelfinal am Sonntagabend gegen Gastgeber Frankreich entgegen. Unter ihnen auch die ehemalige BT-Redaktorin Erna Jonsdottir aus Baden.
Wenn es möglich gewesen wäre, hätten wir bereits die Reise nach Frankreich angetreten. Wir hätten alles auf den Kopf gestellt, wenn wir noch Tickets für das Frankreichspiel am Sonntag erhalten hätten.
. . . genau. Sollte Island am Sonntag gewinnen, werden wir nach Frankreich reisen und versuchen, Tickets für den Halbfinal zu ergattern, koste es, was es wolle.
Absolut. Wir haben uns jedes Spiel angeschaut. Wir hatten schon riesige Freude, überhaupt in Frankreich dabei zu sein. Dass das Team aber so gut abschneidet, hätte ich nicht geglaubt.
(lacht) Wir haben es versucht, mit zehn Nasen klingt es jedoch etwas komisch. Aber in diesen Momenten habe ich auf jeden Fall Gänsehaut; ja manchmal sogar ein bisschen feuchte Augen. Man stelle sich vor: Beim Spiel gegen England waren zehn Prozent der isländischen Bevölkerung im Stadion.
Ja, mein Freund hat mir eines der letzten in Grösse S ergattern können. Auf das Shirt für meinen Sohn warten wir immer noch; diese gehen zurzeit weg wie warme Weggli.
Nein, das nicht. Aber ich habe natürlich meine Lieblingsspieler.
Unseren Goalie Hannes Halldorsson finde ich einfach einen ganz speziellen Typ. Er spielt super und ist ein super Rückhalt. Und natürlich verkörpert unser Captain Aron Gunnarsson mit seinem Bart und seiner ganzen Einstellung den Idealtyp des Wikingers.
Nein, wir Isländer sind Kämpfer, was nicht zuletzt an der rauen Natur und den langen, kalten Wintermonaten liegt. Man kann sagen: Wir Isländer sind aus hartem Holz geschnitzt.
Genau. Und ich glaube, auch deshalb ist die Euphorie in Island jetzt so gross. Die letzten Jahre waren für uns nicht immer einfach. Endlich haben wir Isländer wieder einen Grund, stolz zu sein.
Könnte man meinen (lacht). Erst hat Island die Türkei besiegt. Als dann aber die Türken das Rückspiel für sich entschieden hatten, waren die Wogen wieder geglättet.
Wenn ich ganz ehrlich bin, wohl für die Isländer – die Spieler und die Fans treffen mit ihrer Freude, die sie auch ungeniert zeigen, ins Herz.
Frankreich ist natürlich ein ganz harter Brocken. Trotzdem tippe ich auf ein 2:1 für Island.
Ganz klar Wales. Dann würden zwei unverdorbene Mannschaften in dieser, zum Teil arroganten und abgehobenen, Fussballwelt aufeinandertreffen.
Erna Jonsdottir (42) wohnt in Baden und ist stv. Chefredaktorin beim «Cruisetip» und beim «Business Traveltip» sowie Redaktorin bei «Travel Inside» (Primus Verlag, Zürich).