Ennetbaden
«Uf und dervo» oder Blocher-Dok – dieser Aargauer sorgt für die Musik: «Alles, was ich mache, soll dem Film helfen»

Die Werke sind vielen bekannt, auch wenn er ihnen kein Begriff ist: Martin Villiger aus Ennetbaden komponiert Filmmusik – und bleibt dabei anonym im Hintergrund.

Ursula Burgherr
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Martin Villiger: «Ich hatte unheimlich viel Glück im Leben.»

Martin Villiger: «Ich hatte unheimlich viel Glück im Leben.»

Ursula Burgherr

«Musik ist die Seele eines Films», sagt Martin Villiger. Weder ein Blockbuster noch ein Werbespot kommen ohne sie aus. Es sind vor allem Klänge und nicht die Bilder, die für Dramaturgie und Spannung sorgen.

Der 49-jährige Filmmusikkomponist mit Schweizer Eltern ist in Schottland geboren und lebte vom 7. bis 14. Altersjahr in Israel. «Schon mit 12 beeindruckte ich meine Umgebung, wenn ich mit verbundenen Augen Chopin spielte», erinnert sich Villiger und lacht.

Trotzdem war er sich über seine berufliche Zukunft unsicher. «Klar wäre eine professionelle Musikkarriere mein Traum gewesen. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich gut genug dafür bin.»

Erste Jingles beim Vater

Nach einem halbjährigen Time-out in Amerika fühlte er sich gestärkt und fing sein Musikstudium in Zürich an. In der Freizeit gab er mit verschiedenen Formationen Konzerte.

«Ich wollte mich aber nie auf ein Genre festlegen, sondern immer alles machen: Pop. Jazz. Klassik. Und da kam mir die Filmmusik mit ihrer Vielseitigkeit entgegen.» Bei seinem Vater Marc Villiger, der Filmproduzent war, machte er erste kleine Jingles.

Mittlerweile hat er in Hunderten von Dok-Filmen, Serien und Werbespots für die musikalische Untermalung gesorgt. Der Titelsong der SRF-Dokumentarreihe «Hin und weg», gesungen von Adrian Stern, stammt ebenso aus seiner Feder wie Göläs «Uf und dervo» aus der gleichnamigen Auswanderer-Serie.

Für «Salto Natale» komponierte er vor 12 Jahren die Musik für die gesamte Show und stand mit seinem Orchester rund 70 Abende live auf der Bühne. Seine akustische Handschrift tragen auch Filme wie «Die Abwahl» über Christoph Blocher und «Generalstreik 1918».

Die Herangehensweise an eine Komposition ist stets ähnlich: Martin Villiger schaut sich die zu vertonenden Szenen an und bespricht mit dem Regisseur oder Produzenten, welche Stimmung vermittelt werden soll. Oft liefert der Auftraggeber schon ein Konzept mit seinen Vorstellungen. Manchmal hat er aber auch freie Hand.

«Schweizer Franken klingen schöner als Euros»

«Ich komponiere und jamme dann an meinem Computer oder Flügel, bis mir eine Idee kommt. Oder nehme im Wald Geräusche auf, und mache daraus Musik.» Er kombiniert gern Elektronik mit echten Stimmen und Instrumenten.

Für die SRF-Serie «Unser Dorf» hat er moderne Klänge mit Aufnahmen einer Jodlerin und eines Akkordeonspielers zusammengefügt. Für einen Werbespot nahm er Geld auf, das er auf ein Brett leerte. «Dabei stellte ich fest, das Schweizer Franken schöner klangen als Euros», bekundet Villiger.

Vieles ist erstmal ein Herumpröbeln. Die Spielwiese ist gross. «Alles, was ich mache, soll dem Film helfen. Meine Person bleibt dabei anonym im Hintergrund.» Allerdings hat der Stellenwert von Filmmusik deutlich zugenommen. Grössen wie John Williams oder Hans Zimmer sind in Hollywood wahre Superstars.

Kreischende Klänge für Schreckmomente

Für viele musikalische Stimmungen gibt es klare Gesetzmässigkeiten. Nicht Dur oder Moll machen Musik unbedingt traurig, sondern vor allem ein verlangsamtes Tempo. Tiefe Töne, die sich beugen, erzeugen Spannung und eine langsam hochkriechende Angst. Hohe, kreischende Klänge sorgen für Schreckmomente.

Villiger hat sich bei der Maybaum Film AG im Merker-Areal Baden eingemietet und besitzt dort einen kleinen schalldichten Aufnahmeraum und ein Tonstudio. Die meisten Kompositionen entstehen zu Hause in Ennetbaden. Der Filmmusikkomponist ist Vater von vier Kindern und stolz darauf, dass er mit seinem Traumberuf mittlerweile die Familie ernähren kann. «Ich hatte unheimlich viel Glück im Leben», zeigt er sich dankbar.

Am 29. April 2022, um 20 Uhr, präsentiert Martin Villiger in der Aula Schulhaus Tannenweg in Würenlingen an aktuellen Beispielen multimedial und interaktiv, wie er komponiert. Dazu gibt es eine «Live-Komposition» und natürlich genug Zeit für Fragen aus dem Publikum. Eintritt 25.-/15.-