Ennetbaden
Mit Pinsel und Spraydose: Kinder toben sich im Schulhaus aus – mit Erlaubnis

Das alte Schulhaus in Ennetbaden steht vor dem Abbruch. Jetzt nehmen Mädchen und Buben Abschied – mit viel Farbe und Kreativität.

Sharleen Wüest
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Ein Kindheitstraum: Sie dürfen sich in der Schule völlig austoben.
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Erste Graffiti-Versuche – Avocados scheinen in der Primarschule ein wichtiges Thema...
Die Lehrpersonen unterstützen ihre Schüler, aber in der Umsetzung sind die Kinder völlig frei.
Auch an den Schränken dürfen die Schülerinnen und Schüler ihrer kreativität freien Lauf lassen.
Zwischen Fischen und Blumen: Viel Weiss ist an den Wänden nicht mehr zu entdecken.
Vor dreckigen Händen scheuen sich die Schülerinnen nicht.
Auch wenn überall Farbe ist: So bleiben die Schuhe sauber.
Die «lustige Avocado» ist fertig – und die Kinder stolz.
Die Folgen der Kreativität.

Ein Kindheitstraum: Sie dürfen sich in der Schule völlig austoben.

Alex Spichale

Das Primarschulhaus in Ennetbaden ist zum Kunstatelier geworden. Auf dem Boden sind Farbspuren zu sehen, der Flur ist geschmückt von ersten Graffiti-Versuchen. Ein Blick auf die Wände zeigt Dutzende von Ideen. Zwischen Händeabdrücken und schwunghaften Schriften verstecken sich kleine Kunstwerke. Der Schatten einer Frau hier, eine Raupe da – die Schülerinnen und Schüler konnten ihrer Fantasie freien Lauf lassen.

Bei den bemalten Wänden handelt es sich nicht etwa um Vandalismus. Die Schülerinnen und Schüler dürfen sich mit Erlaubnis der Schulleitung in der Schule austoben. Ein Kindheitstraum vieler. Dass er wahr wird, hat einen Grund: Das Schulhaus 64 – benannt nach seinem Baujahr – wird abgerissen und durch ein neues ersetzt. Seit Donnerstagmorgen werden die Klassen in einem Provisorium unterrichtet. In den nächsten zwei Jahren wird es enger sein, doch das scheint die Kinder nicht zu stören. Ihre Aufmerksamkeit gilt im Moment dem leerstehenden Schulhaus.

Eine vierte Klasse malt gemeinsam mit den beiden Lehrerinnen in einem Zimmer. Die Stimmung ist heiter, Gelächter erfüllt die Räume. Paulina erzählt - die Hände voller Farbe - von ihren Ideen. «Wir können alles machen. Es ist sehr cool», sagt sie und springt davon. Ein kleines Grüppchen steckt die Köpfe zusammen. Ein grüner Flecken vor ihnen. Das soll eine lustige Avocado werden, erzählen sie. Kaum ein Stück des Zimmers bleibt weiss. Lucia und Martina stehen vor einem blauen Schrank. Der war einmal braun, aber so gefällt er ihnen besser. «Ich finde es super, die Farben zu mischen», sagt Lucia und wendet sich wieder ihrem Projekt zu.

Wände wurden statt der Wandtafel benutzt

Die Begeisterung der Schülerinnen und Schüler teilen auch die Lehrpersonen. «Sie dürfen gross und wild malen, ganz ohne Einschränkungen. Es ist ein schöner Abschied vom Schulhaus», sagt Seraina Füglistaler. Sie unterrichtet eine sechste Klasse. Die Schülerinnen und Schüler in den Umzug mit einzubeziehen, war das Ziel der beiden Schulleiter. «Gibt man Kindern die Möglichkeit etwas zu probieren, können schöne Sachen entstehen», sagt Schulleiter Ivo Lamparter. Schulleiter Philipp Fischer nickt zustimmend und ergänzt: «Das erleben nicht alle.» Die Schülerinnen und Schüler sollen sich auch mit 40 noch an diesen speziellen Abschluss erinnern können.

In den letzten Tagen hat noch Schulbetrieb geherrscht. Das merkt man auch in den einzelnen Zimmern. Ob Mathematikformeln oder Grammatikregeln: Wo die Wandtafel fehlte, wurden einfach Wände benutzt – auch die Lehrerschaft konnte Kreativität anwenden.

Die Jugendanimation Ennetbaden organisiert Workshops

Von aussen sieht das Schulhaus noch wie immer aus. Zwar verhindern die Rollladen den Einblick und das Haus scheint leer, aber kein Passant würde ahnen, dass sich hinter verschlossenen Türen Kinder mit Pinseln in der Hand austoben. So wollte es auch die Bauverwaltung; um keine unerwünschten Besucher anzulocken. «Man darf dem Schulhaus nichts anmerken», sagt Ivo Lamparter. Einzig am Wochenende dürfen Auswärtige in den Räumlichkeiten malen. Die Jugendanimation Ennetbaden organisiert von Freitag- bis Samstagabend Workshops.

Die lustige Avocado ist fertig. Stolz geben sich die Schülerinnen und Schüler ein High Five. Die Farbe an ihren Händen vermischt sich. Sie sind in ihrer eigenen Welt, eine Welt, in der alles erlaubt ist. Hie und da spazieren Schüler, die Hände voll mit Büchern und Ordnern, vorbei. Sie steuern auf das Provisorium zu. Die Freude am Abschiedsprojekt vermischt sich mit Spannung über die zukünftigen Räume im Provisorium.