Ennetbaden
Tuschmalerei im Gemeindehaus: Eine Sekunde der Unachtsamkeit – und das Bild ist futsch

Marie-Christine Thury präsentiert ihre japanischen Tuschmalereien. Die Kunst ist für sie auch Mediation und gab ihr Kraft in schweren Zeiten.

Ursula Burgherr
Drucken
Marie-Christine Thury neben einer ihrer japanischen Tuschmalereien, die sie im Gemeindehaus Ennetbaden ausstellt.

Marie-Christine Thury neben einer ihrer japanischen Tuschmalereien, die sie im Gemeindehaus Ennetbaden ausstellt.

Ursula Burgherr

«Für mich ist Tuschmalen die schönste Art der Meditation, die ich kenne», sagt Marie-Christine Thury. Ihr Blick wandert zu den Bildern, die in den Gängen des Gemeindehauses Ennetbaden hängen. Fichten, Bambus, Pfingstrosen, Lotos- und Kirschblüten, Fisch- und Vogelschwärme hat sie verewigt. Aber auch die Lägern, auf die die 77-Jährige von ihrem Ennetbadener Atelierfenster aus sieht. Die meisten Werke entstanden in den letzten zwei Jahren.

Die Ausstellung gab der Künstlerin Kraft

Zum Teil wirken die Motive wie flüchtig hingehaucht. Dabei verzeiht ein Pinsel voller Tusche auf dem feinen Seidenpapier keine Sekunde der Unachtsamkeit. «Wenn ich nicht voll präsent bin, saugt sich die Malunterlage sofort mit der Farbe voll und das ganze Werk ist futsch», erzählt die Künstlerin. Beim Tuschmalen gebe sie sich deshalb immer ganz dem Moment hin und vergesse alles um sich herum.

Das hat der einstigen Primarlehrerin, ausgebildeten Märchenerzählerin und Schauspielerin über schwere Monate hinweggeholfen. Vor kurzem starb ihr geliebter Mann Marc, einstiger Chefgeologe bei der Nagra. Der Schmerz über den Verlust ist noch ganz frisch. «Weil es für die Tuschmalerei bloss einen kleinen Tisch, einen Tuschstein und Pinsel braucht, konnte ich still neben ihm weitermalen, als er krank im Bett lag», erzählt sie. Die Staffelei, an der sie auch in Aquarell und Acryl malt, blieb derweil unberührt. «Das Wissen, meine Tuschmalereien im Gemeindehaus Ennetbaden ausstellen zu können, hat mir Kraft gegeben», meint sie im Rückblick.

Die japanische Kultur hat Marie-Christine Thury schon als Kind fasziniert. «Der engste Freund meines Vaters war Konsul in Japan und brachte uns immer Geschenke aus dem fernen Land mit. Ich war jedes Mal fasziniert.» Noch mehr beeindruckte sie aber dessen japanische Freundin: «Ich stand vor dem Spiegel und zog die Augen zu Schlitzen auseinander, weil ich die Frau so schön fand. Ich wollte so aussehen wie sie.» In ihrem Lehrerberuf wurde sie später oft stark gefordert. «Um meine Ruhe und innere Mitte zu behalten, fing ich mit Zen-Meditationen an. Machte im Kloster Wislikofen stundenlange Sitz- und Gehübungen ohne zu sprechen. Das tat mir gut.»

Die Ausstellung dauert noch bis zum 31. Oktober

Auch die Tuschmalkurse, die Thury später entdeckte, finden immer im Schweigen statt. 30 Mal hat sie bei Lehrmeisterin Holde Wössner schon Workshops besucht. Den letzten kurz nach dem Tod meines Mannes. Wenn sie sich an die Japanreisen mit ihrem Mann erinnert, fängt sie an zu strahlen: «Ich konnte zwei Wochen Kyoto erkunden, während er an einem Kongress war. Für mich eine der schönsten Erinnerungen meines Lebens.»

Zahlreiche der Tuschmalereien, die Marie-Christine Thury noch bis zum 31. Oktober 2021 im Gemeindehaus Ennetbaden ausstellt, sind bereits verkauft. Mit ihren meditativen Bildern vermag sie die Besucherinnen und Besucher im Innersten zu berühren.

Zur Finissage der Ausstellung am 31. Oktober 2021, 10 Uhr, im Gemeindehaus Ennetbaden erzählt Marie-Christine Thury inmitten ihrer Tuschmalereien japanische Märchen mit selbstgestalteten Puppen.