Der frisch gewählte Badener Stadtrat Erich Obrist verrät im grossen Interview, wer ihm aus seinem Wahlkampfteam die Leviten las – und was ihm wirklich Sorgen bereitet.
Viel hat der frisch gewählte Stadtrat Erich Obrist (55) in der Nacht auf Montag nicht geschlafen. Bereits morgens um vier hätten ihn die aufwühlenden Erinnerungen an seine Wahl und die anschliessende Wahlfeier in der «Rampe» aus dem Schlaf geholt. Ein kräftiger Kaffee und das Gespräch über seine Wahl wecken in ihm aber die Lebensgeister wieder.
Erich Obrist: Es wurde etwa halb elf; für einen älteren Mann wie mich ziemlich spät (lacht).
Ja, das war kein Problem. Ich war so müde, dass ich sofort eingeschlafen bin.
Nein. Sie werden es nicht glauben: Ich war während der ganzen Feier derart beschäftigt, dass ich nur zwei Stangen Bier getrunken habe. Zu Hause angekommen, hat mir dann aber meine Frau noch eine Flasche sehr alten Tequila geschenkt, den sie von einer Reise aus Mexiko mitgebracht hat. Eigentlich hätten wir gemeinsam dorthin reisen wollen, wegen meines Wahlkampfs musste ich die Reise aber aussetzen. Wir haben dann je ein Gläschen Tequila getrunken. Ich habs genossen, obwohl ich Tequila eigentlich nicht sonderlich mag.
Ach, das ist so schwierig. Es waren so viele Menschen dort, die mich unterstützt haben. Als ich den Raum betrat, war ich wie in Trance. Es gab so viele schöne, berührende Momente. Einer davon war sicher die Darbietung unseres Göttibuben auf der Trommel oder als mir Andreas Courvoisier die Wappenscheibe mit den Wappen von Baden und Wettingen überreichte.
Ich muss etwas ausholen. Es ging damals auch um die Frage, ob ich bei einer Kandidatur Mitglied der SP bleiben soll oder nicht. Eine für mich ganz schwierige Frage – emotional wie auch intellektuell. So schwierig, dass ich im Laufe des Treffens wohl einen zusehends verunsicherten Eindruck abgegeben haben musste. Irgendwann erhob Peter Conrad Senior das Wort und sagte: «So zerknittert wie du da sitzt, gewinnst du keinen Wahlkampf. Du musst dein Auftreten 180 Grad ändern.» Das ist mir schon ziemlich eingefahren.
Nein, jamais. Ehrlich gesagt habe ich den Kontakt auch nicht gesucht, sondern mich auf meine Sache konzentriert.
Ja. Meine Vorgängerin Daniela Berger wie auch SP-Stadträtin Regula Dell’Anno waren an der Wahlfeier und haben sich sehr mit mir über meine Wahl gefreut, was auch zeigt, dass der Draht zur SP noch besteht. Auch Roger Huber (FDP) war vor Ort und hat mir gratuliert.
Ja, aber er hat mich kurz vor der Wahlfeier angerufen und mir gratuliert. Gleichzeitig ging es darum, einen Termin zu finden. Wahrscheinlich geht es dann quasi um eine Amtseinführung durch ihn.
Die Erwartungen machen mir tatsächlich Angst. Ich werde bestimmt auch nicht alle erfüllen können und auch einige Wähler enttäuschen müssen; es dürfen einfach nicht mehr als 50 Prozent sein (lacht). Aber ein 13-jähriger Schüler hat mir ein gutes Rezept mitgegeben: «Bleiben Sie einfach so wie Sie sind, dann kommts schon gut.»
Klar, ein Amt verändert einen auch immer. Meine Lust an der Politik und meine Kreativität werde ich mir auf alle Fälle bewahren. Zudem habe ich genügend Bodenhaftung und ein Umfeld, dass mir schon rückmelden würde, wenn ich mich zum Unguten verändern sollte.
Impressionen von der Wahlfeier:
Könnte ich frei wählen, ich würde wohl tatsächlich dieses auswählen.
Da mache ich mir keine Sorgen. Mit der Sanierung Langmatt, dem «Royal» oder etwa den Themen Kinderhort und Mittagstisch, um nur ein paar Beispiele zu nennen, würden spannende, herausfordernde Geschäfte auf mich zukommen, bei denen ich sicher zeigen kann, was in mir steckt. Darüber hinaus möchte ich mich auch weiter für eine stärkere regionale Zusammenarbeit starkmachen.
Ja und nein. Wir sind uns bewusst, dass wir der Beziehung Sorge tragen müssen. Nach dem Wahlkampf sind wir nun beide ziemlich erschöpft, weshalb wir uns über Weihnachten Ferien gönnen, ehe es dann Anfang 2016 losgeht. Wir nehmen uns bewusst Zeit füreinander; die Sonntage sind so weit als möglich heilig. Nur etwas bereitet mir Sorge.
Bis jetzt war es immer ich, der zu Hause das Abendessen gekocht hat. Ich weiss nicht, ob ich diesen Auftrag weiterhin zur Zufriedenheit meiner Frau werde ausüben können.