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Valentin Schmid freut sich auf neue Herausforderungen, auch wenn er noch keine neue Stelle hat. Im Interview bleibt er optimistisch.
Am Sonntag erhält Spreitenbach einen neuen Gemeindepräsidenten – wenn einer der beiden Kandidaten, die Gemeinderäte Marcel Lang (45, parteilos) oder Markus Mötteli (61, CVP), im ersten Wahlgang gewählt wird. Noch-Amtsinhaber Valentin Schmid (52, FDP) leitete acht Jahre lang die Geschicke des Dorfes mit mehr als 12000 Einwohnern.
Herr Schmid, begonnen haben Sie am 1. März 2012 als Gemeindeammann, beenden tun Sie Ihre Amtszeit aber als Gemeindepräsident. Warum nennen Sie sich lieber so?
Da Spreitenbach gleich an der Grenze zum Kanton Zürich liegt und zu Beginn meiner Amtszeit intensive Gespräche wegen der Limmattalbahn stattfanden, lernte ich zuerst mehr Regierungsräte aus Zürich als aus dem Aargau kennen. Im Kanton Zürich sind Ammänner in vielen Gemeinden aber Betreibungsbeamte. Nachdem ich mich an einer Sitzung vorgestellt hatte, sagte jemand zu mir: «Wir brauchen hier aber den Gemeindepräsidenten und nicht den Betreibungsbeamten.» Zuerst nahm ich es einfach hin, dass ich ennet der Kantonsgrenze immer erklären muss, was ein Gemeindeammann im Aargau tut. Nachdem Jolanda Urech 2013 offiziell Stadtpräsidentin von Aarau wurde, haben wir uns ebenfalls für diesen Titel entschieden.
Sie haben sich Ihren Abschied wohl etwas anders vorgestellt. Wie waren die letzten Monate für Sie?
Gemeindeintern hat sich wegen Corona nicht viel verändert. Ausser dass die Schalter geschlossen waren, haben wir normal weitergearbeitet. Ich konnte mich von allen verabschieden und werde sicher noch einen Abschiedsapéro organisieren. Die Frage ist nur, wann. Von den Menschen in den Gremien und Projektgruppen, in denen ich mitgearbeitet habe, konnte ich mich aber leider nicht persönlich verabschieden, weil keine Sitzungen stattfanden.
Ihren Rücktritt haben Sie an der historischen Gmeind im Januar in der Umweltarena bekanntgegeben, an die 923 Stimmberechtigte kamen – so viele wie noch nie. War die klare Ablehnung des Zentrums Neumatts, das Spreitenbach einen Stadtplatz und die zwei höchsten Hochhäuser im Kanton beschert hätte, das enttäuschendste Erlebnis für Sie?
Ganz klar ja. Ich bin immer noch überzeugt davon, dass das ein sensationelles Projekt für Spreitenbach gewesen wäre. Ansonsten wurden in meiner Amtszeit nur sehr wenige Geschäfte abgelehnt. Enttäuschend war für mich auch die Abstimmung zur Fusion der Spitex Killwangen- Spreitenbach mit Wettingen im Jahr 2015. Dieser Entscheid hatte aber alles andere als negative Auswirkungen: Unsere Spitex entwickelt sich sehr zufriedenstellend, die Probleme wurden gut gelöst. Die damalige Diskussion war ähnlich emotional wie beim Neumatt. An diese Gmeind kamen 340 Stimmberechtigte, es war die zweitgrösste in meiner Amtszeit. Ich habe übrigens auch durch diejenige mit den wenigsten Stimmberechtigten geführt, mit einem Minusrekord von 108 Teilnehmern.
Und auf was sind Sie besonders stolz?
Alles, was wir erreicht haben, ist eine Teamleistung von Gemeindepersonal, Verwaltung und Gemeinderat, auch wenn man als Gemeindepräsident die endgültigen Entscheide unterschreibt. Die Entwicklung von Spreitenbach läuft wortwörtlich auf guten Schienen, das Jahrhundertprojekt Limmattalbahn wird die Gemeinde langfristig stärken. Ausserdem hatten wir in diesen acht Jahren immer positive Rechnungsabschlüsse. Ebenfalls froh bin ich, dass wir ein neues Gemeindehaus bauen können und die Masterplanung abgeschlossen ist, die nun als Grundlage für die bevorstehende BNO-Revision dient. Ich bin stolz darauf, wie sich Spreitenbach entwickelt.
Auch wenn es theoretisch noch einen zweiten Wahlgang geben könnte, haben Sie Ihr Büro bereits geräumt.
Ich bin zuversichtlich, dass es für einen der Kandidaten reichen wird. Der neue Gemeindepräsident soll so schnell wie möglich das Büro beziehen können. Das Entrümpeln hat für etwas Wehmut gesorgt, mir sind einige Dankeskärtchen in die Hände gefallen. Es gab in diesen acht Jahren viele schöne, aber auch fordernde Momente. Manchmal habe ich Respekt vermisst, es gab E-Mails, in denen ich aufs Übelste beschimpft wurde. Zum Glück gibt es die Deletetaste (lacht).
Hat Sie diese Stellung persönlich stark verändert?
Im Grunde bin ich immer noch der Gleiche, aber ich bin sicher überlegter unterwegs, nicht mehr so impulsiv. Ich bin in diesem Amt sehr gereift. Als Exekutivpolitiker wird man effektiv ein politischer Mensch.
Sie treten zurück, weil Sie eine neue Herausforderung annehmen wollen. Wegen der Coronakrise wurde ein Bewerbungsverfahren, in dem Sie sich befinden, gestoppt. Wenn Sie eine Kristallkugel gehabt hätten, würden Sie Ihren Rücktritt noch einmal überdenken? Obwohl es für mich aktuell gerade schwieriger geworden ist, bereue ich den Schritt keinesfalls. Ich habe mich für einen neuen Lebensabschnitt entschieden, auch weil ich mit 52 Jahren in einem Alter bin, in dem es nicht mehr so einfach ist, eine Stelle zu finden. Nun befinde ich mich wegen Corona unglücklicherweise im luftleeren Raum, trotzdem bin ich guten Mutes, dass es bis zum 1. Oktober mit einer Anstellung klappt. Ich wäre aber gerne im Som- mer für ein, zwei Monate nach Norwegen gefahren, um meiner Passion, dem Fotografieren, nachzugehen. Ob das doch noch klappt, wird sich zeigen.