Aargauer Obergericht
Eskalation in Wettingen: Eifersüchtiger Schläger kassiert nebst Gefängnis nun auch Landesverweis

Vom Kriegsflüchtling zum Schläger: Das Aargauer Obergericht verschärft die Strafe für einen 38-jährigen Kosovaren, der seinen Schwager tagsüber in Wettingen attackierte.

Philipp Zimmermann
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Tatort Landstrasse: In Kürze eskalierte hier ein Streit zwischen zwei Männern.

Tatort Landstrasse: In Kürze eskalierte hier ein Streit zwischen zwei Männern.

Screenshot Google Street View

Mitten in Wettingen eskalierte das Eifersuchtsdrama um Gezim und seine Ehefrau Edita (alle Namen geändert) - vor zwei Jahren am Tag vor Heiligabend. Gezim, ein heute 38-jähriger Kosovare, fuhr in seinem VW Golf mit St. Galler Kennzeichen auf der Landstrasse, als er Edita sah. Die beiden hatten 2004 geheiratet, lebten aber mittlerweile getrennt. Gezim war wegen leichter Körperverletzung gegen seine Frau vorbestraft. Obwohl ihm ein Gericht verboten hatte, sich der Wohnung seiner Frau zu nähern, hatte er sich mehrmals nicht daran gehalten. Aus Angst vor ihm ging die Edita keine neue Beziehung ein. Die drei gemeinsamen Kinder sind heute 16, 13 und 11 Jahre alt.

Edita war an jenem Tag unterwegs im Kreis ihrer Familie. Gezim fuhr dreimal zwischen zwei Kreiseln auf der Landstrasse hin und her, um Edita zu beobachten. Das fiel wiederum Valmir auf, Editas jüngeren Bruder. Dieser zeigte seinem Schwager den Vogel und nannte ihn «Tubel». Gezim stoppte den VW auf dem Trottoir und ging auf seinen Schwager los und drohte, ihn umzubringen. Da flogen die Fäuste – wobei sich der zehn Zentimeter kleinere und fast 40 Kilogramm leichtere Valmir zu wehren wusste. Zumindest teilweise sei er seinem Schwager überlegen gewesen, hält das Aargauer Obergericht in einem neuen Urteil fest, das schriftlich vorliegt.

Wegen Muskelriss mehrere Wochen arbeitsunfähig

Gezim holte aus dem Kofferraum seines VW einen 37 Zentimeter langen und 834 Gramm schweren Schraubenschlüssel aus Metall, wie er im Gerüstbau verwendet wird. Rund zehn Mal schlug er zu, wie das Obergericht aufgrund diverser Zeugenaussagen festhält. Mindestens zweimal traf er den Schwager am Kopf, mindestens einmal an der Schulter. Valmir konnte die meisten Schläge abwehren. Lebensgefährlich wurde er zwar nicht verletzt. Er erlitt aber Prellungen und einen Muskelriss. Für mehrere Wochen war er arbeitsunfähig.

Erst die von Edita alarmierten Polizisten schafften es, Gezim den Schraubenschlüssel zu entreissen. Passanten waren schon zuvor dazwischen gegangen. Gezim erlitt leichte Verletzungen: Blutergüsse, Schürfungen, Schwellungen im Gesicht, an Hals und Oberkörper. Vor Gericht führte Notwehr an. Die anderen hätten ihn fertig machen wollen. Er habe den Gerüstbauschlüssel geholt, um Valmir auf Distanz zu halten. Dann habe er ein Blackout gehabt.

Sieben Jahre Landesverweis

Das Bezirksgericht Baden verurteilte Gezim zu 31⁄4 Jahren Freiheitsstrafe – vor allem wegen versuchter schwerer Körperverletzung. Gezim habe lebensgefährliche beziehungsweise schwere Verletzungen bei Valmir in Kauf genommen, stellte es fest. Von einem Landesverweis sah es dagegen ab. Das Urteil haben Gezim wie auch die Staatsanwaltschaft angefochten. Letztere forderte erneut eine Verurteilung wegen versuchter vorsätzlicher Tötung mit 71⁄4 Jahren Freiheitsstrafe sowie 15 Jahre Landesverweis. Gezim forderte einen Freispruch.

Das Aargauer Obergericht hat nun das Urteil des Bezirksgerichts bestätigt - mit einer Änderung: Es sprach einen Landesverweis von 7 Jahren aus - mit Verweis darauf, dass die versuchte schwere Körperverletzung als Katalogtat für den obligatorischen Landesverweis gilt. Gezim war 1998 als 16-jähriger Kriegsflüchtling in die Schweiz gekommen. Sein Asylgesuch wurde erst abgelehnt, später konnte er dank der Heirat bleiben. Er brach eine Lehre als Koch ab, arbeitete aber über die Jahre als solcher, als Gerüstbauer oder Polier.

Das Gericht anerkannte es zwar als leicht strafmildernd an, dass Gezim eine schwierige Jugend hatte, da er Gewalt gegen sich und seine Familie erlebt habe und in einem von Gewalt und Aggressivität geprägten Umfeld aufwuchs. Einen Härtefall sah es auch angesichts der familiären Situation aber nicht als gegeben an. «Aufgrund der Schwere der begangenen Delikte und der Rückfallgefahr wird eine obligatorische Landesverweisung angeordnet», heisst es im Urteil.