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Die Berner Künstlerin berauscht mit der grandiosen Premiere ihres sechsten Soloprogramms das Badener Publikum im ThiK.
Co-Produktionen von Esther Hasler mit dem ThiK haben Tradition. Getreu dem Motto «don’t change a winning team» ist «Lichtjahre» schon das vierte abendfüllende Einfraustück der Berner Ausnahmekünstlerin, das bei der Premiere im ThiK das Publikum von den Stühlen katapultiert hat.
Auch diesmal begeistert Esther Hasler mit einer Fülle an Zeitthemen, die sie dicht verwoben präsentiert und persifliert. Die Theaterfrau mit Aargauer und Liechtensteiner Wurzeln kann Dialekte wie Michael Elsener, verfügt über schier grenzenlose Ausdrucksmöglichkeiten und schafft im Nebensatz den Spagat vom Staubsaugen zu den existenziellen Fragen des menschlichen Daseins.
So klärt beinahe Nobelpreisträger Abraham Eisler mittels unumstösslicher Beweiskette die Frage nach dem Huhn oder dem Ei. Kosmonautin Valentina Vladimirovna Tereškova erkundet den Weltraum Jahre bevor Neil Armstrong durch den Mondstaub stolpert.
Und man versteht, warum sich Primaten mit gutem Grund dagegen verwahren, der Mensch stamme von ihnen ab. Esther Hasler spielt Grössen der Wissenschaft und Helden des Urwalds so authentisch und beiläufig, dass man sich beim Schmunzeln und Losprusten plötzlich fragt, ob man einer fahrigen Fabuliererin auf den Leim geht. Aber sie hat genau beobachtet, messerscharf analysiert und dann stimmige Bühnenfiguren erschaffen, die aus überzogenem Nonsens Sinn schöpfen.
Wie bei Kleinkunstdoyen Joachim Rittmeyer treten auch in «Lichtjahre» lieb gewonnene Gestalten aus früheren Programmen auf. Inspiriert vom «Internet der Dinge», revolutioniert Annerös Zgraggen einmal mehr die helvetische Tourismusindustrie.
Ihr Konzept: «Der Tourist als Ding!» Frau Friedli brilliert mit gewohnt punktgenauen Vorurteilen und fragt sich, welche Verwaltung denn in einer Marskolonie die Hausordnung durchziehen soll, wo es doch überall irgendeinen Spinner gibt, der seine Batterien auf dem Kompost entsorgt.
Adoptivgrossmutter Gruschenka zaubert Lebensweisheiten aus dem Astralleib, und Soziologin Hannelore Hahn macht endlich Karriere. Bei aller Vielfalt und der Unmenge an witzigen Details: «Lichtjahre» kommentiert hellsichtig den Zeitgeist und seine Verirrungen. Mit analogem Tastenantrieb hebt Esther Hasler ab zur Erkundung ferner Galaxien und landet zielsicher im Hier und Jetzt.
Der Streifzug durch unendliche Weiten überzeugt und unterhält. Das verdankt sich der verspielten Regie von Didi Sommer (Comedia Zap, Zirkus Monti). Wohldosierte Tempowechsel, von (be)sinnlichen Balladen über Slapstick zu hochtourigen Limericks, halten die Spannung in
jeder Bogensekunde hoch und bereiten einen poetischen Parcours für einen sprachlich, stimmlich und pianistisch glanzvollen Ritt durch die musikalischen und komödiantischen Genres.
Und wenn zum Schluss die unbekannte Hausfrau statt ins ersehnte Grab zu sinken auf ihrem Hoover hexenhaft den Orbit verlässt, wenig später die Venus passiert und sich danach im Ätherischen verflüchtigt, werden auch robuste Gemüter im Theaterdunkel vor Rührung eine Träne verdrücken. Wer das Stück noch einmal sehen will, kann das heute Samstagabend um 20.15 Uhr tun.