Politik
Ex-Nationalrat Chopard: «Ein sehr schwerer Schlag für den Ostaargau»

Gewerkschafter sowie Parlamentarier aus der Region reagieren betroffen und schockiert auf die Pläne von General Electric. Der ehemalige Nationalrat Max Chopard (SP) warnt davor, dass sich die schleichende Deindustrialisierung fortsetzten könnte.

Martin Rupf
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«Im Aargau findet eine Deindustrialisierung statt»: Ex-Nationalrat Max Chopard (SP).

«Im Aargau findet eine Deindustrialisierung statt»: Ex-Nationalrat Max Chopard (SP).

Sandra Ardizzone

Der ehemalige SP-Nationalrat und Gewerkschafter Max Chopard aus Obersiggenthal findet einen Tag nach der Hiobsbotschaft klare Worte: «Für den Ostaargau ist das ein sehr schwerer Schlag. Ihn zu kompensieren, wird extrem schwierig. Im Aargau findet eine Deindustrialisierung statt.»

Er betone schon lange – insbesondere seit der Aufhebung des Franken-Mindestkurses –, dass es eine aktive Industriepolitik brauche, sonst würde man vor allem im Industriesektor Arbeitsplätze verlieren.

«Als ich mittels Vorstoss in Bundesbern Massnahmen für diese Arbeitsplätze einforderte, wurde ich vertröstet.» Die Politik habe die Auswirkungen der Aufhebung des Mindestkurses absolut unterschätzt.

«Man dachte, mit Steuerpolitik und etwas Standortattraktivität sei es getan. Doch das war naiv. Während alle Länder rund um die Schweiz aktive Industriepolitik betrieben haben, dachte man hier, das regle sich von alleine.» Und auch als drei, vier Monate nach Aufhebung des Mindestkurses die ganz grosse Krise noch ausgeblieben sei, habe man sich gedacht: «Es passiert ja gar nichts.»

Doch was meint Chopard mit aktiver Industriepolitik? «Diese finde auf zwei Ebenen statt. Erstens müssen gute Rahmenbedingungen für die Industrie geschaffen und erhalten werden, was bereits im Bildungsbereich anfängt.

Und zweitens braucht es eine aktive Diplomatie. Will heissen: Die Politik muss sich bei den grossen Firmen aktiv für den Standort Schweiz einsetzen und den Verantwortlichen immer wieder die Vorzüge wie stabile politische Lage und hohe Produktivität aufzeigen.»

Dass jetzt eine Task-Force ins Leben gerufen wurde, begrüsst Chopard. «Doch das hätte man eigentlich schon vor rund zwei Jahren bei der Ankündigung der Alstom-Übernahme machen müssen.»

Betreffend möglicher Weiterentwicklung der Situation gibt er dem Aargauer Volkswirtschaftsdirektor Urs Hofmann recht: «Dank meiner langjährigen Erfahrung als Gewerkschafter weiss ich, dass Ankündigungen oft schwärzer daherkommen, als es am Ende tatsächlich rauskommt.

Aber dies auch nur dann, wenn sich jetzt die zuständigen Ebenen des Problems wirklich aktiv annehmen. Denn Firmen wie GE gehen immer den Weg des geringsten Widerstandes. Ich hoffe wirklich, dass man den Stellenabbau noch abschwächen kann.

Der GE-Entscheid wird viele Menschen treffen. So ein schwerer Aderlass ist keine einfache Situation. Hinter diesen Mitarbeitern stehen Familien und auch Gemeinden, die auf steuerkräftige Einwohner angewiesen sind.

Und der Entscheid wird auch massive Auswirkungen auf die Zuliefererbetriebe haben.» Chopard warnt davor, dass sich die schleichende Deindustrialisierung fortsetzt, wenn die Schweiz weiterhin keine aktive Industriepolitik betreibe.

«Heute ist der Industriesektor immer noch eine gewichtige Branche in der Schweiz. Doch wenn es so weitergeht, wird es zu einer Verarmung des Schweizer Arbeitsmarktes kommen.»

Eine Wirtschaft, die irgendwann nur noch auf dem Dienstleistungssektor basiert, sei nicht gut für unser Land. «Bis anhin hat gerade die hohe Diversität die Schweizer Wirtschaft ausgezeichnet und sie krisenresistenter gemacht.» betont Chopard.

Überrascht über das Ausmass

«Die Ankündigung von GE löst bei mir grosse Betroffenheit aus», sagt SP-Ständerätin Pascale Bruderer aus Obersiggenthal. Auch wenn es negative Anzeichen gegeben hatte, so sei sie vom Ausmass der 1300 Stellen doch sehr überrascht.

«Nun müssen wir alles daransetzen, dass der Stellenabbau nicht so weit geht, wie es die GE-Pläne derzeit vorsehen. Ich werde diesbezüglich weiter im Gespräch mit Bundesrat Johann Schneider Ammann und Regierungsrat Urs Hofmann bleiben.»

Generell habe der Kanton alles Interesse, die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Aargau weiter zu stärken. «Umso wichtiger sind und bleiben innovative Projekte wie das ‹Hightech Zentrum Aargau› oder ‹Park Inovaare›.»

Burkart: «Ich war schockiert»

Der Badener FDP-Nationalrat Thierry Burkart spricht derweil von einem «einschneidenden Einschnitt». «Ich war wirklich schockiert, als ich die Zahlen hörte.» Der Stellenabbau sei natürlich in erster Linie für jeden Betroffenen sehr schmerzhaft.

«Doch auch für die ganze Zulieferer-Branche ist das ein herber Schlag, ganz zu schweigen vom Know-how, das wir durch den Abbau verlieren.» Und nicht zuletzt habe der Abbau auch Auswirkungen auf die Gemeinwesen in der ganzen Region, wenn er etwa an ausfallendes Steuersubstrat denke.

«Ich befürchte leider, dass dieser Abbau kein Einzelfall sein wird; ich mache mir grosse Sorgen um den Schweizer Industriestandort.» Kurzfristig könne man wohl nicht mehr viel bewirken.

«Doch längerfristig muss die Politik alles daransetzen, die Rahmenbedingungen wieder zu verbessern.» Burkart sind dabei insbesondere die aus seiner Sicht aufgeblähte Bürokratie und die viel zu lange dauernden Verfahren ein Dorn im Auge.

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