Abgewählte Politiker
Ex-Nationalrat Heiner Studer: «Die Politik war mein Hauptberuf»

Heiner Studer verlangt, dass für Abgewählte Nationalräte eine Kündigungsfrist mit Lohnfortzahlung gilt. Er selbst hatte, nachdem er 2007 nicht wiedergewählt wurde, noch lediglich ein 40 Prozent-Pensum als Vizeammann von Wettingen.

Fabian Muster
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Heiner Studer wurde 2007 als Nationalrat der Evangelischen Volkspartei (EVP) abgewählt

Heiner Studer wurde 2007 als Nationalrat der Evangelischen Volkspartei (EVP) abgewählt

Keystone

Nach acht Jahren im Nationalrat wurden Sie bei den letzten eidgenössischen Wahlen 2007 nicht wiedergewählt. Wie nahmen Sie das Verdikt des Volkes damals auf?

Heiner Studer: Ich empfand dieses als ungerecht, weil ich acht Jahre harte Arbeit leistete. Zudem erreichte ich 2007 die höchste persönliche Stimmenzahl im Vergleich zu meinen früheren Kandidaturen. Andererseits ist aber auch klar, dass eine kleine Partei wie die EVP nur mit wenigen Mandaten rechnen darf. So gesehen war meine Nichtwiederwahl eine herbe Enttäuschung, aber keine Katastrophe. Ich betrachtete es wie ein Sportler: Auch dieser kann trotz vollem Einsatz nur auf dem vierten Platz landen.

Wie haben Sie sich nach der Nichtwiederwahl gefangen?

Das Entscheidende war: Mein Selbstwertgefühl war nie von meinem Nationalratsmandat abhängig. Ich war nicht erschüttert. Wichtig waren im ersten Moment natürlich auch die Familie und die Freunde.

Mit einem Schlag fielen die rund 120 000 Franken inklusive Spesen Ihres Nationalratsmandates weg. Es blieb Ihnen nur das 40-Prozent-Teilzeitmandat als Vizeammann der Gemeinde Wettingen.

Ab Ende November 2007 musste ich auf zwei Drittel meines Gesamteinkommens verzichten. Das Parlamentsmandat und damit die Politik war mein Hauptberuf. Das Milizparlament war für mich ein Mythos.

Sie mussten als einer der wenigen der 24 nicht-wiedergewählten Parlamentarier die Überbrückungshilfe in Anspruch nehmen. Dies entsprach damals einer vollen AHV-Rente von 2200 Franken.

Ich habe diese Hilfe nur in Anspruch genommen, weil ich sie brauchte. Eine Nichtwiederwahl gleicht aber faktisch einer fristlosen Kündigung. Richtiger wäre daher, wenn Abgewählte in Anlehnung ans Arbeitsrecht noch mindestens drei Monate Lohn vergütet bekämen auf Basis des durchschnittlichen steuerbaren Einkommens eines Nationalrats von jährlich rund 75 000 Franken. Grundsätzlich sollten alle den Anspruch darauf haben. Für die Zeit der Umorientierung ist dies sinnvoll. Wer beruflich ein hohes Einkommen hat, dürfte darauf verzichten.

Wie haben Sie den Anschluss an die Arbeitswelt wieder geschafft?

Mit meinen damals 58 Jahren war es nicht einfach, einen neuen Job zu finden. Ich erhielt zwar viele Anfragen im Bereich der Freiwilligenarbeit, aber das war halt alles unbezahlt. Ich gründete daher eine Einzelfirma und führe nun Beratungsmandate im kirchlichen und karitativen Bereich aus. Ich nehme aber nichts an, was nicht meinen Grundwerten entspricht. Zudem bin ich auch als Laienprediger unterwegs. Und seit April 2008 bin ich Präsident der EVP Schweiz. Zusammen mit meinem Teilzeitmandat als Wettinger Vizeammann verdiene ich nun genug, aber weniger als vorher mit dem Nationalratsmandat.

Welchen Tipp würden sie abgewählten Parlamentariern geben?

Ein Parlamentarier sollte sich vom Mandat nicht zu stark vereinnahmen lassen. Der einzelne Mensch ist nicht von einem Mandat abhängig. Viel wichtiger sind ideelle Werte wie Familie und Freunde, die einem über die erste Enttäuschung hinweghelfen. Zudem kann die neue Situation auch eine Chance sein, um etwas anderes zu tun. Ich zum Beispiel habe ein Buch über den Parlamentsbetrieb geschrieben (Anm. d. Red.: «Auch Politiker sind Menschen», Blaukreuz 2009), das für mich eine positive Verarbeitung meiner schönen Jahre im Rat war.

Und finanziell?

Der Abgewählte darf nicht glauben, dass man bis Weihnachten beruflich alles neu geregelt hat. Es braucht länger als zwei Monate Durchhaltevermögen, bis man finanziell wieder auf einen grünen Zweig kommt.