Ein jahrelanger Nachbarschaftsstreit endete in Baden vor dem Einzelrichter. Bei den «Verbrechen» handelt es sich um die Zerstörung von Pflanzentöpfen und einer nachbarschaftlichen Dusche mit dem Gartenschlauch.
Rösly (alle Namen geändert) hat 84 Jährchen auf dem Buckel, ihr Sohn Fritz auch schon deren 59. Gemeinsam mussten sie vor Einzelrichter Werner Kummer antraben. Das heisst, sie trabten letztlich aus eigenem Triebe an. Sie hätten ja, statt Einsprache zu erheben, die Strafbefehle einfach akzeptieren und die Bussen stillschweigend bezahlen können. Aber Stillschweigen liegt den beiden nicht besonders. Vor allem Fritz kann – wenn er in Fahrt kommt – ganz schön laut werden.
Strafanträge und Hausverbot
Seit 42 Jahren lebt die Familie in einer Reihenhaussiedlung. Vor drei Jahren waren Hans und Greti, im mittleren Alter, im Nachbarhaus eingezogen. Da an ihrem vorherigen Wohnort eingebrochen worden war, hatten sie zur Überwachung ihres Grundstücks eine Videokamera installiert. Diese nun war Rösly und Fritz ein Dorn im Auge – und offenbar nicht nur diese. Jedenfalls waren sich die Nachbarn von Anbeginn an irgendwie nicht hold.
Im Sommer 2010, zum Beispiel, liessen Greti und Hans dem Nachbarssohn ein schriftliches Hausverbot zukommen, zwischen Dezember 2010 und Juli 2011 sahen sie sich veranlasst, mehrfach Strafanträge gegen Fritz und Rösly einzureichen. Erstens weil Rösly versucht haben soll, mit einer Bauschere das Kabel der Überwachungskamera zu kappen, was sie allerdings bestritt: Sie habe die Kamera nur so drehen wollen, dass nicht dauernd ihr Eingangsbereich gefilmt wurde. Zweitens, weil Rösly ihre Nachbarn fotografierte, als die im Garten standen. Drittens, weil Fritz trotz Hausverbot ebendiesen Garten betreten hatte.
«Das ist ja der reine Kindergarten»
Er habe, sagte der Beschuldigte vor dem Richter, das tun müssen, habe sich der Hans doch über Pflanzen beklagt, welche über die Grenze wucherten. Und da habe er, der Fritz, ihm dem Hans, doch zeigen müssen, dass er sie abgeschnitten habe. Viertens, weil Rösly im Juli 2011, als Greti um 7.29 Uhr das Haus verliess, diese mit dem Gartenschlauch abduschte. Fünftens, weil Fritz zwei Blumentöpfe, die Greti gehörten, von der Grenzmauer gestossen und dadurch beschädigt hatte.
«Sie hatte zuerst einen unserer Töpfe auf den Boden geschmissen», wetterte Fritz vor den Schranken. «Das ist ja der reine Kindergarten», stellte Richter Kummer seufzend fest. Rösly und Fritz waren mit einem Anwalt aufgekreuzt. Und der verlangte für beide Beschuldigten einen Freispruch.
Die Staatsanwältin ihrerseits hatte beantragt, Mutter und Sohn seien unter anderem wegen geringfügiger Sachbeschädigung und Tätlichkeit (wegen der Freiluftdusche) zu verurteilen. Nebst Geldstrafen, die bedingt zu erlassen seien, sollten Rösly und Fritz je 500 Stutz Busse berappen müssen, plus Staats- und Kanzleigebühren – summa summarum 840 Franken.
Schuldig im Sinne der Anklage
Ach herrje – Rösly und Fritz wären billiger davongekommen, hätten sie stillschweigend bezahlt. Aber eben, mit dem Stillschweigen ist es so eine Sache ... Richter Kummer sprach die zwei schuldig gemäss Anklage und reduzierte zwar die Busse für Rösly auf 300 und für Fritz auf 200 Franken. Dazu gesellen sich aber die Verfahrenskosten in Höhe von 1500 Franken, die sie je hälftig aufgebrummt bekamen. Obendrein wird der Anwalt ihnen seine Kostennote einreichen, womit sich noch ein paar hundert Fränkli mehr dazugesellen werden.
Für Hans und Greti ihrerseits dürfte das Leben, Wand an Wand mit Rösly und Fritz, nach dieser Verhandlung auch nicht unbedingt einfacher werden. Tja, Nachbar werden ist nicht schwer, Nachbar sein mitunter sehr.