«Käthchen, Mädchen, Käthchen» – der Klassiker von Kleist wird im Kulturcafé neu inszeniert. Zwei Schauspielerinnen spielen alle Rollen und kommen dabei ins Schwitzen.
Heinrich von Kleist gehört zusammen mit Goethe und Schiller zu den drei grossen Orientierungspunkten in der deutschen Klassik. Der einstige Kindersoldat entwickelte sich nach dramatischen Jugendjahren zu einem rastlosen Aussenseiter und fand sich in der Welt nie zurecht.
Kurz vor seinem Tod nannte er sich «einen unaussprechlichen Menschen, einen, dem auf Erden nicht zu helfen war.» 1811 erschoss er sich – gerade mal 34 – zusammen mit seiner Freundin Henriette von Vogel. Dies, nur wenige Jahre nachdem er das Ritterschauspiel «Käthchen von Heilbronn» geschrieben hatte, mit dem er einen Theaterhit landen wollte.
Für die erste Eigenproduktion am neuen Standort des Kulturcafés Baden haben sich Elisabeth Seiler (Schauspiel) und Bert de Raeymaeckers (Regie) mit Eva Lenherr vom Theater am Gleis Winterthur zusammengeschlossen, um den über 200 Jahre alten Klassiker von Kleist in einer Neuinszenierung unter dem Titel «Käthchen, Mädchen, Käthchen» auf die Bühne zu bringen. Dabei fahren die beiden Darstellerinnen den ganzen Fächer ihrer Schauspielkunst aus, denn sie übernehmen alle Rollen selber.
Das beschauliche kleine Café im Chriesi-Areal mutiert mitsamt Einrichtung zum Hotelzimmer. Dort schreibt der heimat- und arbeitslose Kleist, von Seiler in Szene gesetzt, an «Käthchen von Heilbronn». Lenherr mimt eine Dozentin der Volkshochschule, die auf ihrem Laptop Recherchen über den deutschen Schriftsteller und Dichter macht.
Nur 25 Plätze bietet der kleine Raum, in dem die Aufführung stattfindet, sodass das Publikum mitten drin im Geschehen sitzt. Dadurch wird eine grosse Intimität erzeugt. Seiler switcht nahtlos hin und her zwischen Kleist als Person und seinen Figuren. Hart und männlich wirkt sie im schwarzen Männersakko. Das diffuse Licht wirft Schatten auf ihr völlig ungeschminktes und hageres Gesicht. Und sie gibt alles: droht, beschwört, schreit, fleht, wimmert und begehrt auf im Disput zwischen dem Waffenschmied Theobald Friedeborn und dem Graf von Strahl um Käthchen.
Blitzschnell sind ihre Wechsel von Mimik, Gestik und Stimmlage. Oft feuert sie minutenlange Wortsalven im Stakkato-Tempo ab, fast ohne Atempause. Auf ihrer Oberlippe glänzen Schweissperlen. Plötzlich ist es so ruhig im Raum, man könnte eine Stecknadel fallen hören.
Die maskulinen Rollen nimmt man Seiler mehr ab, als das dem Grafen in bedingungsloser Liebe verfallene Käthchen, dem sie ein etwas zu klischiertes zartes Mädchen-Stimmchen zukommen lässt. Eva Lenherr zeigt sich ebenfalls wandlungsfähig. Aus der Dozentin wird die verführerisch-laszive Kunigunde, die Käthchen fast ihr Liebesglück streitig macht.
Während sich die zwei Schauspielerinnen verausgaben, äugeln von draussen Kinder ins Café hinein. Ein Jogger spurtet vorbei: Er ist etwa so verschwitzt wie Seiler am Schluss der Vorstellung, die sich trotzdem aufgekratzt und glücklich über die gelungene Premiere zeigt.
«Käthchen, Mädchen, Käthchen»: Freitag und Samstag um 20 Uhr, im Kulturcafé, Rütistrasse 3a (Torre-Hochhaus). Zusatzvorstellungen am 8. und 10. September 2016.