Baden
Früher war er Börsenhändler: Jo Meister baut E-Gitarren

Der einstige Börsen- und Devisenhändler Peter (Jo) Meister fertigt seit über 20 Jahren E-Gitarren in Handarbeit an. Der 66-Jährige sagt, warum ihn das Instrument seit Kindestagen fasziniert – und warum er aber schlicht kein Talent zum Spielen hat.

Carla Stampfli
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Peter (Jo) Meister
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Die E-Gitarren in der ersten Reihe stehen nicht zum Verkauf - das sind die persönlichen Instrumente von Jo Meister.
Aus den Holzbrettern fertigt Jo Meister E-Gitarren an.
Das Design entwirft der 66-Jährige ausschliesslich von Hand auf dem Zeichenbrett.
Rund 80 bis 100 Stunden braucht der ehemalige Börsen- und Devisenhändler, bis er von Hand ein fertiges Instrument erschaffen hat.
Rund 80 bis 100 Stunden braucht der ehemalige Börsen- und Devisenhändler, bis er von Hand ein fertiges Instrument erschaffen hat.
Regelmässig geht Jo Meister nach Formentera...
... und besucht Weiterbildungskurse bei einem Profi-Gitarrenbauer.
In der Werkstatt «Formentera Guitars» auf der Baleareninsel bildet er sich weiter.
Impressionen aus seiner Werkstatt.
Impressionen aus seiner Werkstatt.
 Impressionen aus seiner Werkstatt.
 Impressionen aus seiner Werkstatt.
 Impressionen aus seiner Werkstatt.

Peter (Jo) Meister

Claudio Thoma

Alles begann beim Eislaufen: 1964 war es, als Peter Meister als 12-Jähriger mit seinem Vater auf dem Eis Runden drehte – und aus den Lautsprechern «Satisfaction» von den Rolling Stones ertönte. «Von den ersten Takten an hörte ich ein für mich bis anhin unbekanntes Instrument. Es faszinierte mich auf Anhieb», sagt Meister, während er vor seiner Werkstatt an der Bäderstrasse in Baden an einer Zigarette zieht. Schulkollegen erklärten ihm, dass es sich um eine E-Gitarre handelt. Seither liess ihn das Instrument nicht mehr los.

Peter Meister (66), der von allen nur «Jo» genannt wird, drückt die Zigarette aus und führt nach drinnen. An der Wand hängen Feilen, Sägen, Spachteln, Zangen und weitere Werkzeuge. In den Regalen stapeln sich Bretter, aus Edelholz und normalem Holz. Auf einem Tisch liegt eine E-Gitarre. Oder besser gesagt: ein Teil davon. «Korpus und Hals sind im Rohbau fertig. Nun geht es ans Feilen mit Schleifpapier, dann ans Einbauen der Mechaniken auf der Kopfplatte, der Tonabnehmer und der Saiten», sagt Meister. Noch liegt viel Arbeit vor ihm. «Es braucht Fingerspitzengefühl und Geduld. Jeden Ton einer E-Gitarre muss man hören und spüren können.» Rund 80 bis 100 Stunden braucht Meister, bis er einem Kunden eine fixfertige E-Gitarre übergeben kann.

Seit über 20 Jahren baut Jo Meister E-Gitarren in Handarbeit, führt Service- und Reparaturarbeiten sowie Modifikationen aus. Für viele Jahre stellte er die Instrumente ausschliesslich in seiner Freizeit und in einer kleinen Werkstatt in Kirchdorf her. Als er sich vor drei Jahren pensionieren liess, zügelte er sein Hab und Gut nach Baden. Seither widmet er sich Vollzeit dem Bau von E-Gitarren. Je nach Material kostet ein Modell zwischen 3000 und 5000 Franken, wobei die Grenze nach oben offen ist. «Klar, im Internet und ab Fabrik gibt es wesentlich billigere Modelle zu kaufen», sagt Meister. Diese seien klangtechnisch auch von hoher Qualität. «Doch ein handgefertigtes Instrument ist nicht nur nach Mass gefertigt, sondern in seiner Ausführung auch einzigartig.»

Gitarrenbau hilft Stress abbauen

Das Handwerk hat sich Jo Meister selber und in Workshops angeeignet, wobei er die Grundlagen bei den Brüdern Paul und Patrick Schneider erlernte. Die beiden Ostaargauer haben mehrere Gitarrenbaukurse auf der Baleareninsel Formentera besucht und dort das Bauen von Gitarren erlernt. Nebst ihrem Beruf als Mathematiklehrer treten sie nebenbei als Bluesmusiker im Trio «Bäck tu dä Ruuts» und im Trio «4-6 Handful of Blues» auf. «Unter ihrer Anleitung habe ich meine erste E-Gitarre gebaut. Das hat mir viel Spass gemacht», sagt Meister. Dabei gaben sie ihm den Tipp, doch auch einmal zu Ekkehard Hoffmann nach Formentera zu gehen. Der Deutsche, der seit 1991 auf der Insel lebt, restauriert in seiner Werkstatt «Formentera Guitars» Musikinstrumente und gibt Gitarrenbaukurse. «Ich war vor rund zehn Jahren zum ersten Mal dort. Seither gehe ich regelmässig auf die Insel und bilde mich weiter», sagt Meister.

Musik, insbesondere Rock, Hardrock und Blues, war schon immer ein Teil des Lebens von Jo Meister, der in Zürich aufgewachsen ist. Das begann in seiner Jugend mit dem Aufkommen grosser Bands wie den Beatles, den Stones und Led Zeppelin. Die Rockmusik begleitete ihn anschliessend während der Banklehre und durch das ganze Berufsleben hindurch. Hörte er Musik, konnte er den Stress, der seine Arbeit als Börsen- und Devisenhändler, später als Informatiker in der Bankenbranche mit sich brachte, abbauen. Als er in seinen 40ern den Gitarrenbau für sich entdeckte, umso mehr. «Wenn ich aus einem Holzblock ein Instrument herstellen kann und im Hintergrund Pink Floyd, Genesis oder Dire Straits läuft, dann tauche ich in eine andere Welt ab.» Liege einmal eine fertiggebaute E-Gitarre vor ihm, erfülle ihn das mit Stolz, sagt Meister, der früher einmal verheiratet war und heute alleinstehend ist.

Blues Festival Baden mitgegründet

Selber greift Jo Meister allerdings nur privat zur E-Gitarre. «Ich habe schlicht kein Talent», sagt er. Wohl aber auch, weil ihn der eingangs erwähnte Eislauf-Tag prägte. «Ich bettelte so lange, bis mein Vater genug hatte und mir ein Instrument kaufte. Es war jedoch keine E-Gitarre, sondern eine Handorgel!» Obwohl die Faszination blieb, war für ihn das Thema für eine ganze Weile erledigt. «Erst, als ich als Erwachsener die Enttäuschung überwunden hatte, kaufte ich mir eine E-Gitarre», sagt er und lacht. «Dabei habe ich schnell erkannt, dass mir das Musizieren nicht liegt, sehr wohl aber das Herumschrauben und Auseinandernehmen.»

Ganz so unmusikalisch wie er sagt, ist Jo Meister indes nicht: Er ist Gründungsmitglied des «Blues Festivals Baden», das dieses Frühjahr zum 15. Mal durchgeführt wurde. Zudem rief er das Projekt «Blues Kidz» ins Leben, bei dem Jugendliche in einem Langzeitworkshop von Oktober bis zum Festival im Mai zu einer Band zusammenwachsen. «Derzeit finden die Castings statt. Es ist toll, wie viele junge Menschen sich für Musik interessieren», sagt Meister.

Überhaupt habe Baden eine sehr lebendige Musikszene. Sie ist auch der Grund, weshalb er 1998 in die Bäderstadt gezogen ist. «Nachdem ich viele Jahre in Zürich und im Ausland gearbeitet habe, sehnte ich mich nach Ruhe und zog an den Hallwilersee. Nach kurzer Zeit merkte ich aber: Es ist mir zu ruhig.» Er entschied sich für Baden – eine lebendige Stadt mit einer tollen Musikszene, aber dennoch keine Metropole. Mit den «Blues Kidz» und seiner Gitarrenbau-Werkstatt will er die Leidenschaft für die Musik den jungen und älteren Generationen weitergeben.

Design entsteht am Zeichentisch

Zu seinen Kunden zählen professionelle und halbprofessionelle Musiker, aber auch Berufstätige, die sich etwas leisten möchten. «Entweder haben sie bereits eine klare Vorstellung oder sie suchen sich bei mir ein Modell aus.» In diesem Fall geht Jo Meister in seinen Ausstellungs- und Testraum, der sich hinter der Werkstatt befindet. Hier befinden sich zahlreiche Verstärker, Mischpulte und E-Gitarren. «Die E-Gitarren in der ersten Reihe sind meine persönlichen und stehen nicht zum Verkauf», sagt Meister und schmunzelt. Diejenigen in der hinteren Reihe und an der Wand hingegen schon. Einen kleinen Teil der Instrumente hat er gängigen Modellen nachgebaut, wie etwa die «Telecaster», die seit 1950 in Massenanfertigung von einer US-Firma produziert wird. Die restlichen Modelle hat er selber designt. Dafür benutzt er ausschliesslich den Zeichentisch. «Computer haben kein Gefühl; und Gefühl ist in der Musik entscheidend», sagt er.

Seine Modelle markiert er nicht nur mit dem Schriftzug «Meister-Gitarren», sondern auch mit einem Tierchen aus Perlmutter, das er in das Instrument fräst. Eine weitere Besonderheit: Jo Meister lackiert seine Instrumente nicht. Nie. «Ich habe deswegen schon Aufträge abgelehnt», sagt er und hält kurz inne. Dann fügt er an: «Am schönsten ist die E-Gitarre, wenn sie nur mit Öl und Wachs behandelt wird. So klingt sie nicht nur offener und direkter, auch das Holz kommt am besten zur Geltung.»