Sharon Katz, stellvertretende Stellenleiterin beim Beratungszentrum Baden, spricht im Interview mit dem «Badener Tagblatt» über die Alkoholsucht im Alter. Sie erklärt auch, wieso das Trinken im Alter gefährlicher ist als in jungen Jahren.
Sharon Katz: Beim Alkoholismus gibt es die Einstiegsphase, die Gefährdungs- und Abhängigkeitsphase. Max ist kein akuter Alkoholiker. Er ist aber gefährdet; es gibt klare Indizien, die für eine Abhängigkeit sprechen.
Das heimliche Trinken, das Trinken zwischendurch, mehr, als ursprünglich vorgehabt. Hinzu kommt, dass er sich in den Jahren, in denen er hier in der Beratung war, nicht für eine längere Abstinenz entscheiden konnte. Über sein Trinkverhalten Buch zu führen und sich Gedanken darüber zu machen, mag er auch nicht. Es engt ihn ein, nach Regeln zu trinken. Das sind zwar alles heikle Punkte, dennoch ist es keine akute Situation.
Seine Motivation, uns aufzusuchen, kam auf Druck seiner Frau. Durch sie hat er realisiert, dass es gut ist, hinzuschauen. Trotzdem bleibt er gerne in der Selbstbestimmung. Sie sollte hinschauen, ihn jedoch nicht kontrollieren.
Angehörige von Menschen mit Suchtproblemen fallen mit der Zeit in eine sogenannte Co-Abhängigkeit. Sie versuchen zu helfen und beginnen damit aber das Suchtverhalten ihres Mitmenschen zu kontrollieren. Seine Frau hat gelernt, dies nicht mehr zu tun; es schadet mehr, als es hilft. Paare geraten in einen Teufelskreis, weil der Druck auf beiden Seiten zu gross wird. Sie wird sauer, weil er trinkt. Er trinkt noch mehr, weil sie sauer ist. Deshalb ist es ratsam, nur hinzuschauen.
Es ist viel Arbeit, die sich aber lohnt. Jemand der immer auf der Hut ist und versucht, Einfluss auf den anderen zu nehmen, leidet nur. Deshalb sollten Angehörige versuchen, sich auf ihr eigenes Leben zu konzentrieren und das tun, was ihnen guttut. Das Problem soll zum Thema gemacht werden. Die Kunst ist es aber, sich als Angehörige auch stets genügend abzugrenzen und die Verantwortung an Fachleute abzugeben.
Es ist wichtig, das Paar zu entlasten, indem wir ihnen hier einen Raum bieten, über die belastenden Themen zu reden und sich damit auseinanderzusetzen. Wenn eine mögliche Abhängigkeitsthematik zwischen einem Paar steht, kann dies zu einer emotionalen Achterbahn führen. Wir versuchen über Gespräche Entlastung zu bieten und gemeinsam Lösungen zu finden.
Selbstbestimmtes Trinken setzt voraus, dass man sich stoppen kann – das ist eine grosse Herausforderung. Ich empfehle, dass er in der Auseinandersetzung mit sich und seinem Trinkverhalten bleibt. In dem Moment, wo er das nicht mehr tut, wird es gefährlich.
Mit dem Alter nimmt der Wasseranteil des Körpers ab. Der Alkohol wird so in weniger Flüssigkeit verteilt, der Blutalkoholgehalt steigt. Konkret: Der Alkohol wirkt stärker. Zudem beeinträchtigt er die Wirkung von Medikamenten und kann Erkrankungen wie etwa Diabetes, Bluthochdruck oder Verdauungserkrankungen negativ beeinflussen. Hinzu kommt, dass die Unfallgefahr massiv steigt.
Die Pensionierung war bei Max der Auslöser. Das kommt aber häufig vor. Menschen fallen aus dem Rhythmus, sie haben keine Verpflichtungen und keine Tagesstruktur mehr. Manchen ist langweilig, manche sind einsam, andere sind frustriert. Der Alkohol nimmt vermeintlich diese Sorgen. Es gibt aber noch einen anderen Grund für die Zunahme.
Die geburtsstarke 68er-Generation wird älter. Bis 2050 wird es einen 90-prozentigen Anstieg der Bevölkerung geben ab 65-ig.
Sie sind genauso behandelbar wie jüngere Menschen. Die 68er sind eine Leistungsgeneration. Zuzugeben, ein Alkoholproblem zu haben, ist ein Problem.
Es gibt verschiedene Hinweise, die auf eine Abhängigkeit hindeuten können: Gedankenkreisen um den Alkohol, Entzugserscheinungen, mehr trinken als vorgehabt oder Weitertrinken, obwohl ärztlich der Konsumstopp verordnet wurde.