135 Sozialhilfefälle zählt Neuenhof. Die Gemeinde hat das Ziel, die Zahl stark zu verringern. Hierfür unterstützt sie Sozialhilfeempfänger und sucht Praktikaplätze im heimischen Gewerbe.
In Neuenhof gibt es 135 Sozialhilfefälle. Die Gemeinde will diese Zahl mithilfe eines neuen Konzepts verringern. Dieses Arbeitgeber/Klienten-Konzept sieht vor, Sozialhilfeempfänger mittels Beschäftigungen in Unternehmen wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. «Sie sollen so wieder fit gemacht werden für die Arbeitswelt», sagt Gemeinderat Andreas Muff. Konkret heisst das, dass die Sozialen Dienste Neuenhof nach Praktikumsstellen für Langzeitarbeitslose suchen. «Wir haben einen Pool von 15 bis 20 Personen, die sich dafür interessieren und für die wir eine Praktikumsstelle finden möchten», sagt Sozialarbeiterin Natasa Piljagic. Unter ihnen sind: Bauingenieure, Elektriker, Informatiker, Kauffrauen, Verkäufer, Coiffeusen sowie Hilfsarbeiter. Als Jobbörse versteht sich die Gemeinde aber nicht: «Wir sind nach wie vor kein Stellenvermittlungs- oder Temporärbüro und möchten diese Branche nicht konkurrenzieren», betont Muff.
Nach einem drei- bis sechsmonatigen Praktikum erhalten die Sozialhilfeempfänger ein Arbeitszeugnis, das sie für künftige Bewerbungen in ihren Lebenslauf integrieren können. «Mit einem aktuellen Zeugnis sind die Personen auf dem Arbeitsmarkt besser vermittelbar», sagt Muff. Zudem gäbe die Beschäftigung den Langzeitarbeitslosen wieder eine Tagesstruktur und das Gefühl, gebraucht zu werden, so Piljagic: «Sie haben nach Jahren der Erwerbslosigkeit wieder einen Grund, morgens aufzustehen.» Durch das Feedback, das man von den Unternehmen bezüglich Belastbarkeit oder Teamfähigkeit erhalte, könne man gezielter an den Stärken und Schwächen der Personen arbeiten und sie so besser auf den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vorbereiten. Das Ziel der Gemeinde ist demzufolge klar: Arbeitslose sollen durch die Praktika höhere Wiedereingliederungschancen haben und auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuss fassen können. «Ideal wäre es, wenn die Praktikanten nach ihrem Einsatz eine Festanstellung erhalten oder durch die gute Referenz schneller einen Arbeitsvertrag bekommen», sagt Piljagic. Dann würden sich für Neuenhof auch die Sozialhilfeausgaben verringern. Trotzdem findet Piljagic, dass man «realistisch bleiben muss». Nicht jeder werde so rasch eine Anstellung finden.
Am 15. Oktober stellte Andreas Muff das Konzept am Neuenhofer Industrieapéro erstmals vor. 90 Vertreterinnen und Vertreter aus Industrie und Gewerbe waren dabei zugegen. Zwei dieser Unternehmen sicherten der Gemeinde Praktikaplätze zu. Derzeit absolvieren drei Personen ein Praktikum im Bereich Pflege- und Kinderbetreuung, Hauswirtschaft und Wäscherei. Abgeklärt wird ein Praktikum im Informatikbereich für eine vierte Person. «Die Arbeitgeber stammen nicht nur aus Neuenhof, sondern aus dem Raum Baden-Wettingen», sagt Piljagic.
Während der Praktikumsdauer übernimmt die Gemeinde die finanzielle Regelung und kommt für die Sozialabgaben sowie die Versicherung auf. «Das Praktikum wird nicht entlohnt. Wir zahlen aber wie gehabt das Sozialhilfegeld und übernehmen die Reisekosten», erklärt Piljagic.
Für die Praktikanten ist es ein erlösendes Gefühl, wieder eine Arbeit zu haben. «Ich finde es gut, dass Neuenhof auch diese Art von Unterstützung anbietet. Ich fühle mich wieder nützlich und habe Abwechslung zum Alltag», sagt die 44-jährige alleinerziehende Mutter E.F. Aufgrund der Arbeitspause infolge ihrer Mutterschaft und der erschwerten Lebensumstände durch die Trennung vom Ehemann hat E.F. den Anschluss an die Arbeitswelt verloren. Seit 2011 ist sie auf Stellensuche. Im Rahmen des Arbeitgeber/Klienten-Konzepts macht sie nun ein Praktikum im Bereich Hauswirtschaft. «Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich. Anfangs musste ich mich an das Tempo gewöhnen. Dank der Unterstützung durch den Betrieb kann ich meine Aufgaben jetzt selbstständig erledigen», sagt E.F. Durch das Praktikum erhofft sie sich, herauszufinden, in welchen Bereichen sie sich verbessern muss, um eine Anstellung zu finden. «Mein Wunsch wäre es, nach dem Praktikum in diesem Betrieb weiterarbeiten zu können.»
Die Gemeinde ist bemüht, weitere Unternehmen zu finden, die Praktikaplätze zur Verfügung stellen. «Unser Ziel ist es, alle Interessierten zu versorgen und ihnen ein Praktikum zu ermöglichen», sagt Piljagic. Vergleichbare Projekte gäbe es in der Region neben Wettingen, wo der Schwerpunkt auf Arbeitsintegration junger Menschen liege, in der Stadt Bremgarten, die bereits seit Jahren auf solche Projekte setze, sagt Muff.