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Das 37 Millionen Franken teure Bauprojekt der Umfahrung Mellingen ist nun rechtskräftig. Gemeindeamman Bruno Gretener hat mit der AZ über die lang ersehnte Lösung des Konflikts und die Zugeständnisse des Kantons gesprochen.
Sieben Jahre nachdem das Aargauer Stimmvolk Ja zur Umfahrung Mellingen gesagt hat, ist endlich der Durchbruch erfolgt: Am Freitag haben der Kanton, die Gemeinde und die Umweltverbände eine Vereinbarung unterschrieben, die den Weg für die Umfahrung ebnet. Damit kann das historische Reussstädtchen, durch das täglich über 15 000 Fahrzeuge verkehren, entlastet und aufgewertet werden.
«Es ist eine grosse Freude, dass es zum Durchbruch gekommen ist. Nun können wir endlich planen», sagt Gemeindeammann Bruno Gretener (FDP). Mit der Vereinbarung setze man auch für die Bevölkerung ein wichtiges Zeichen. Denn nach so vielen Jahren, in denen das Projekt unter anderem durch Einsprachen und Beschwerden blockiert war, hätten viele resigniert und die Hoffnung aufgegeben. «Jetzt kann die Bevölkerung der baldigen Realisierung der Umfahrung zuversichtlich entgegenblicken», sagt Gretener.
Die Vereinbarung ist dank intensiven Gesprächen zwischen Baudirektor Stephan Attiger, WWF-Aargau-Präsidentin Regula Bachmann, VCS-Aargau-Präsident Jürg Caflisch sowie Bruno Gretener zustande gekommen. Dabei ziehen die Umweltverbände ihre hängige Beschwerde beim Verwaltungsgericht zurück.
Im Gegenzug werden zusätzliche ökologische Ersatzmassnahmen getroffen: Zum einen wird der Franzosengraben – statt wie ursprünglich vorgesehen nur bis zur Lenzburgerstrasse – neu auf der ganzen Länge vom Sportplatz der Schulanlage «Kleine Kreuzzelg» bis zum Waldrand offengelegt und renaturiert. Zum anderen wird der Uferbereich bei der Mündung Schwarzgraben/Reuss aufgewertet.
Weitere Zugeständnisse betreffen flankierende Massnahmen, die den Verkehr durch das Reussstädtchen beschränken. So wird die Zahl der Fahrzeuge, die nach der Eröffnung der Umfahrung durch die Altstadt fahren, auf 1500 festgelegt. Zuvor waren 5000 vorgesehen, inklusive Zubringer und Anwohner. Neu haben Letztere unbeschränkt Zutritt.
«Wir stehen voll und ganz hinter den Zugeständnissen», sagt Gemeindeammann Gretener und fügt an: «Schade nur, dass es so lange gedauert hat, bis man sich auf eine gemeinsame Lösung einigen konnte.» Er sieht keine Hürde darin, dass der Durchgangsverkehr mit neu 1500 Fahrzeugen pro Tag definiert ist. «Sobald die neue Umfahrung eröffnet ist, wird die Altstadt für den reinen Durchgangsverkehr sowieso uninteressant.» Die Sperrung der Altstadt zu Spitzenzeiten für den motorisierten Verkehr und die Umwandlung der Hauptgasse in eine Begegnungszone mit Tempo 20 sollen unter anderem dazu beitragen, dass der Verkehr stark gedrosselt wird.
Auch das Aufwertungsprojekt für die Altstadt soll den Verkehr mindern: Die Gemeinde hat sich in der Vereinbarung verpflichtet, den Stimmberechtigten einen Kredit für die Detailplanung vorzulegen. «Das wird an der ausserordentlichen Gemeindeversammlung am 27. September der Fall sein», sagt Gretener. Gleichzeitig wird der Gemeinderat einen Planungskredit für den Zentrumsbereich beantragen. Damit sollen die Birrfeld- und die Lenzburgerstrasse, die nach der Eröffnung der Umfahrung ins Eigentum der Gemeinde übergehen, analysiert und ein Aufwertungsprojekt erarbeitet werden. Zudem wird das öV- und Parkierungskonzept überarbeitet.
«Mit den beiden Planungskrediten wollen wir die zukünftige Entwicklung Mellingens umfassend planen und aktiv angehen», sagt Gretener. Dem Gemeinderat ist es ein Anliegen, dass nach Inbetriebnahme der Umfahrung attraktive Verbindungen zwischen der Altstadt und der ganzen Zentrumszone geschaffen werden. «Wir wollen eine attraktive Altstadt, die von der Bevölkerung und Besuchern möglichst einfach erreicht werden kann.» Dies auch im Hinblick auf die Gewerbetreibenden, die sich heutzutage in einer eher schwierigen wirtschaftlichen Situation befänden. «Für Mellingen ergibt sich nun die einmalige Chance, im Kern eine positive Entwicklung anzustossen», sagt Bruno Gretener.
Im Jahr 2011 hiess das Aargauer Stimmvolk die Umfahrung Mellingen mit einem Ja-Anteil von 60,1 Prozent gut: Für 36 Millionen Franken (7 Mio. Franken übernimmt Mellingen) soll eine rund 2 Kilometer lange Umfahrung gebaut werden, die aus zwei Abschnitten besteht. Der WWF und der VCS kritisierten von Anfang an, dass das Projekt die geschützte Reusslandschaft gefährde. Dabei forderten sie auch die Prüfung von Tunnellösungen und grossräumigen Umfahrungen ohne eine neue Reussbrücke. So kam es in den Jahren zu Gutachten, Gerichtsbeschlüssen und Projektänderungen. Nachdem die Regierung die Umfahrung aufgrund der Umweltkritik schliesslich angepasst hatte, genehmigte im Dezember 2017 der Grosse Rat eine vom Verwaltungsgericht geforderte Richtplananpassung. Am 17. Januar genehmigte der Regierungsrat beide Abschnitte des Projekts. Gegen diesen Entscheid erhoben der WWF und der VCS wiederum Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Am 29. Juni unterzeichneten Kanton, Gemeinde und die Umweltverbände eine Vereinbarung. Die Beschwerde wird zurückgezogen. Die Umfahrung wird damit rechtskräftig. (ces)