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Ein Kapitel in der Affäre um die Nacktbilder des Badener Stadtammanns und früheren Grünen-Nationalrats Geri Müller ist beendet. Seine ehemalige Chatpartnerin hat ihre Einsprache gegen den Strafbefehl zurückgezogen.
Dies teilte die Frau am Samstag der Nachrichtenagentur sda mit. Die im Kanton Bern wohnhafte Frau ist damit rechtskräftig wegen Beschimpfung, übler Nachrede, versuchter Nötigung, Urkundenfälschung und unbefugten Aufnehmens von Gesprächen verurteilt. Sie erhält eine bedingte Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 60 Franken und muss eine Busse von 1800 Franken entrichten. Zudem werden ihr die Anwaltskosten von fast 16'300 Franken und die Verfahrenskosten von über 8000 Franken auferlegt.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern hatte die Untersuchung gegen die Chatpartnerin Anfang Juli abgeschlossen und danach einen Strafbefehl gegen sie erlassen. Dagegen erhob die Frau Einsprache.
Am vergangenen Donnerstag zog ihr Anwalt die Einsprache aber zurück, wie dessen Schreiben an die Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland zu entnehmen ist, das der sda vorliegt. Eine Begründung für den Rückzug enthält der Brief nicht.
Rüge für Berichterstattung
Die Nacktselfie-Affäre hatte im Sommer 2014 für Aufregung gesorgt. Die "Schweiz am Sonntag" berichtete, dass der Badener Stadtammann GeriMüller von seinem Stadthausbüro aus einer Chat-Bekannten Nacktbilder geschickt hatte. Danach soll er sie zum Löschen der Mitteilungen aufgefordert haben.
Daraufhin entband der Badener Stadtrat Müller zwischenzeitlich von seinen Führungs- und Repräsentativaufgaben. Die Oberstaatsanwaltschaft Aargau verzichtete jedoch darauf, ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs gegen Müller einzuleiten. Bei den Nationalratswahlen im Herbst 2015 trat Müller nicht mehr an.
Die Berichterstattung der "Schweiz am Sonntag" wurde jüngst vom Schweizer Presserat gerügt. Mit dem ersten Artikel über Müllers Sex-Chat habe die Zeitung die Privat- und Intimsphäre des Politikers in schwerer Weise verletzt. Ein höher zu wertendes öffentliches Interesse, das die Veröffentlichung gerechtfertigt hätte, verneinte der Presserat.
Dagegen hatte Verleger Peter Wanner, in dessen Verlag die «Schweiz am Sonntag» sowie auch die az erscheint, in seiner Stellungnahme geschrieben: "Wir nehmen den Entscheid des Presserates zur Kenntnis. Es steht zu befürchten, dass der Entscheid aufgrund von politischem Druck zustande gekommen ist."
Nach wie vor halte er die Veröffentlichung des Artikels für angebracht, denn die Recherchen der "Schweiz am Sonntag" hätten sich als richtig erwiesen. "Nachdem in Baden Gerüchte im Umlauf waren - insbesondere nach dem Polizeieinsatz, den seine Chat-Partnerin betraf -, hatte die Bevölkerung ein Anrecht darauf, über die Ergebnisse der Recherchen informiert zu werden. Die entscheidende Frage bleibt dabei, ob sexistische Handlungen von Exekutivpolitikern in Amtsräumen statthaft sind und wenn sie vorkommen, ob sie den Schutz der Privat- und Intimsphäre beanspruchen dürfen. Im Gegensatz zum Presserat haben wir diese Frage nicht bejaht."
Im Gegensatz zur medienethischen ist die juristische Aufarbeitung der Affäre Müller noch nicht abgeschlossen. Die Strafuntersuchung der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern betraf zuerst nur die Chatpartnerin, wurde dann aber auf den PR-Berater Sacha Wigdorovits, Josef Bollag, den Präsidenten der israelitischen Kultusgemeinde Baden und den Chefredaktor der Zeitung "Schweiz am Sonntag", Patrik Müller, ausgeweitet. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie den Chatverkehr verwendet, weitergegeben oder Dritten zugänglich gemacht haben. (sda/az)