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Vor dem Bezirksgericht Baden hätte sich am Mittwoch ein Asylsuchender wegen einer Messerattacke verantworten müssen. Wegen einer Panne fiel der Prozess aus.
Bezirksgericht Baden, 13.30 Uhr, Prozessbeginn. Angesetzt ist an diesem Mittwochnachmittag eine Verhandlung wegen versuchter vorsätzlicher Tötung. Der Beschuldigte, ein junger Asylsuchender aus Äthiopien, hat an jenem Augustnachmittag des letzten Jahres in der unterirdischen Unterkunft in Baden, einen Mitbewohner mit einem Rüstmesser schwer verletzt.
14 Monate später muss sich der Äthiopier für seine Tat vor Gericht verantworten.
Die Bezirksrichter sitzen vorne in einer Reihe, die Übersetzerin hat neben ihnen Platz genommen, Gerichtsschreiberin, Verteidiger und Staatsanwalt sind ebenfalls bereit. Alle sind da, nur einer fehlt: der Beschuldigte. Eine Mitarbeiterin schaut in der Zelle des Gerichts nach, doch da ist er nicht. Der inzwischen 23-jährige Äthiopier sitzt seit Anfang Jahr im vorzeitigen Strafvollzug. Trotzdem ist es nicht gelungen, ihn rechtzeitig auf den Prozessbeginn hin zum Gericht zu bringen.
Die Gründe für die Panne sind Kantonspolizei-Sprecher Bernhard Graser nicht bekannt. Deshalb könne er zum konkreten Fall keine Stellung nehmen. Grundsätzlich ist im Aargau die Kantonspolizei dafür zuständig, Gefangene vom einen Ort zum anderen Ort zu bringen. Sei dies zum Arzt, zur Ausschaffung oder eben zum Prozess. Letztere Aufträge kommen von den Gerichten, die der Kantonspolizei jeweils die Termine bekannt geben. «Die Kantonspolizei organisiert die Transporte und führt diese dann auch aus.» Die Kapazitäten seien begrenzt, sagt Graser. Die Frage sei natürlich, ob es für diesen «Taxidienst» überhaupt ausgebildete Polizisten brauche. Im Gegensatz zu anderen Kantonen bleibe die Verantwortung im Aargau bis auf weiteres bei der Kantonspolizei. Die Kommunikationsstelle der Aargauer Gerichte konnte sich noch nicht dazu äussern.
Nach einer Stunde wird der Prozess in Baden verschoben, er soll nun im November stattfinden. Die Staatsanwaltschaft fordert für den Beschuldigten eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren, wegen versuchter vorsätzlicher Tötung. In der Anklageschrift schreibt sie über die Folgen des Angriffs mit dem Rüstmesser: «Es ist einzig dem Zufall und der raschen medizinischen Hilfeleistung zu verdanken, dass der Geschädigte nicht an diesen teilweise lebensgefährlichen Verletzungen verstarb.» Weil sich die Unterkunft in der Geschützten Operationsstelle unterhalb des Kantonsspitals Baden befand, konnte das Opfer rasch behandelt werden. Dem Angriff vorausgegangen war ein Streit zwischen mehreren Bewohnern über die Beteiligung an den Kosten eines Einkaufs.
Während den letzten rund zwei Jahren waren über 800 Männer im Aargau in vier Geschützten Operationsstellen untergebracht – unterirdisch und auf engstem Raum. Eine Konstellation mit Konfliktpotenzial. Doch neben der Attacke in Baden im August 2016 kam es nur zu zwei weiteren gravierenden Vorfällen. In der gleichen Woche ereignete sich auch in der unterirdischen Unterkunft beim Kantonsspital Aarau ein Messerangriff. Ein 27-jähriger Iraner verletzte damals zwei Landsleute schwer, einer davon erlag kurz darauf seinen Verletzungen.
In Laufenburg versuchte im Januar 2016 ein Sudanese im Teenageralter, eine Betreuerin in der Waschküche zu vergewaltigen, sie konnte fliehen. Der junge Mann wurde wegen versuchter Vergewaltigung zu 18 Monaten Freiheitsstrafe bedingt verurteilt.