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Peter Hostettler leitet seit 41 Jahren die älteste Waschanlage der Region. Seine Arbeit bereitet ihm immer noch Freude und er denkt noch gar nicht an den Ruhestand.
Wenn die Sonne die ganze Woche geschienen hat, dann staut es samstags in Dättwil vor der Einfahrt – ein Phänomen seit 1971. Die Rede ist dabei nicht vom Bareggtunnel, sondern vom Waschtunnel der Watag AG, der versteckt im Industriegebiet Täfern liegt. Und der Mann, der am Anfang der Kolonne die Autos in den Tunnel lotst, ist auch kein Verkehrspolizist, sondern der Inhaber und Betreiber der Watag. Er heisst Peter Hostettler und ist in der Region auch bekannt als «der Typ von der Waschanlage».
Der 61-Jährige mit den grauen Haaren bis zum Nacken schwatzt gerne mit den Kunden durchs offene Autofenster, und einen Spruch oder Witz hat er meistens auf Lager. Es scheint, als sei er immer gut gelaunt. «Ich versuche, stets positiv zu sein. Denn was ich nicht ändern kann, das zieht mich auch nicht runter», sagt Hostettler und richtet den Wasserstrahl für die Vorwäsche auf das vorderste Auto in der Kolonne.
Sein Vater hat die Watag AG vor 45 Jahren gegründet und leitete diese zusammen mit Hostettlers Bruder, der wenige Jahre danach plötzlich verstarb. Peter Hostettler sicherte seinem Vater darauf seine Hilfe in der Waschanlage zu, obwohl er zu dieser Zeit eine Ausbildung zum Elektromonteur absolvierte. «Geplant war, dass ich ein Jahr in der Firma bleibe», sagt Hostettler. Daraus sind 41 Jahre geworden.
1978 hat er geheiratet und mit seiner Frau Margrit zwei Kinder bekommen. 1982 wurde der damalige Waschtunnel abgerissen und nur wenige Meter weiter südlich an der Mellingerstrasse entstand die heutige Waschanlage mit der neuen Wohnung der Hostettlers im Obergeschoss. «Rund um die Anlage standen damals nur einzelne Gebäude», erinnert sich Hostettler. Das Geschäft lief gut, und in Wohlen eröffnete man 1988 die zweite Watag-Waschstrasse. In den 90er-Jahren übernahm er schliesslich das Geschäft von seinem heute 88-jährigen Vater. Vor acht Jahren ging die Firma mit Peter Hostettlers Sohn Reto in die dritte Generation, wobei dieser Geschäftsleiter der Anlage in Wohlen ist.
Viele seiner Kunden kennt Hostettler seit langem: «Es kommen sogar schon deren Kinder vorbei.» Einige besuchen jede Woche die Waschanlage, bei Schnee und Salz auf den Strassen sogar jeden Tag. «Ich erinnere mich an die Gesichter hinter den Autoscheiben, doch die Namen bleiben mir selten», so Hostettler.
Kuriose Szenen hat der Waschanlagenbetreiber schon oft erlebt: Abgefallene Rückspiegelverschalungen und Cabriodächer, die sich automatisch öffnen. «Vor allem Vorfälle mit offenen Fenstern kommen erstaunlich häufig vor, obwohl wir die Lenker nach einem Schwätzchen beim Bezahlen natürlich ermahnen, das Fenster hochzufahren», so Hostettler.
Gleich zu Beginn der Waschstrasse wird das Auto eingeseift. «Wegen des vielen Schaums fehlt den Lenkern manchmal der Reflex, das Fenster gleich wieder zu schliessen», sagt Hostettler schmunzelnd und betont, dass eine solche Situation nur als Zuschauer amüsant sei.
Probleme bereiten Hostettler neuerdings moderne Autos mit vielen technischen Extras: Scheibenwischer mit Nässesensoren, Alarmsysteme mit Berührungsmeldern und automatische Handbremsen überfordern die Kunden zunehmend. «Jeder will alle möglichen Zusatzfunktionen in seinem Auto, aber oft wissen sie nicht, wie man solche Einrichtungen bedienet oder deaktiviert.» So kam es auch schon zu einem Auffahrunfall in der Waschstrasse. Die Hydraulik der Anlage wurde beschädigt, Hostettler trug einen finanziellen Schaden davon. Er weiss sich aber zu helfen: «Langsam kenne ich die meisten Automodelle und kann den Lenkern wenn nötig zeigen, wie ihr Auto funktioniert.»
Den Besuch eines Autosalons kann sich Hostettler also sparen. Dafür fährt er regelmässig nach Deutschland, um an Fachmessen für Waschstrassen teilzunehmen. «Ich bin mit meinem kleinen Unternehmen ein Einzelkämpfer. Damit ich über Neuerungen Bescheid weiss, habe ich mich vor 13 Jahren dem deutschen Waschstrassenverband angeschlossen», sagt Hostettler und verweist darauf, dass es in der Schweiz keinen solchen Verband gibt.
Hostettler liebt seine Arbeit, denn jeder Tag sei anders: «An einem Samstag können 40 oder 400 Fahrzeuge vorbeikommen, je nach Wetter.» Trotz grosser Konkurrenz in der Region (es gibt Waschstrassen in Gebenstorf, Turgi, Wettingen und Spreitenbach), ist die Anzahl Fahrzeuge seit Jahren gleichbleibend, und das findet Hostettler gut. Sein Erfolgsgeheimnis sind die Stammkunden: «Diese erhalte ich nur, wenn ich kompetente Mitarbeiter habe, die sicher und genau arbeiten.» Deshalb müsse man zu den Angestellten Sorge tragen: Eine Viertagewoche bei vollem Salär sei Standard, so Hostettler. Das Team besteht aus Peter Hostettler in der Waschstrasse Dättwil und seinem Sohn in der Anlage in Wohlen, zwei Angestellten und einigen Aushilfen sowie seiner Frau, welche die Buchhaltung führt.
Hostettler ist jetzt 61 Jahre alt, denkt aber überhaupt nicht an den Ruhestand. Solange die Gesundheit mitmacht, will er weiterarbeiten. Ehrlichgesagt wisse er gar nicht, was er als Rentner überhaupt machen solle, so Hostettler. «In die Ferien zu fahren, mag ich sowieso nicht wirklich, und meine Frau hat sich an bloss zwei Wochen Urlaub pro Jahr längst gewöhnt», sagt Hostettler lachend. Dafür umgibt er sich liebend gern mit seiner Familie. Während die Tochter fast täglich fürs Mittagessen vorbei kommt, verbringt er jeden Mittwoch mit seinem Sohn auf dem Golfplatz — ein «Highlight der Woche». Der Enkel ist vierjährig und soll bald die vier grossen Formel-1-Modellautos, die das Büro zieren, bekommen.
Seine Frau staune darüber, dass er den Schalter zwischen Geschäfts- und Privatleben einfach umlegen könne, sagt Peter Hostettler. «Geht es um die Waschstrasse, bin ich penibel und ordentlich. Jeder Schraubenschlüssel hat seinen Platz. Doch zum Leidwesen meiner Frau verhält es sich privat ein bisschen anders», fügt er schmunzelnd an. Doch ob privat oder im Büro, der Wunsch nach schönem Wetter ist immer präsent: «Dann kann ich lange mit meinem kleinen Hund spazieren gehen.» Und bei Sonnenschein sehen die Autolenker den Dreck auf der Kühlerhaube besser.