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Der nächtliche Angriff auf dem Badener Schlossbergplatz löst Betroffenheit aus. Ein 28-Jähriger Schweizer setzte sich für eine junge Frau ein, die geschlagen wurde – und wurde selbst spitalreif geprügelt. Häufen sich solche gewalttätige Auseinandersetzungen oder handelt es sich um Einzelfälle?
Dieser war Teil einer Gruppe junger Männer zwischen 16 und 20 Jahren. Nach einer kurzen Pöbelei sei es zu Handgreiflichkeiten zwischen der Gruppe und dem einschreitenden Mann gekommen, worauf diese ihn mit Faustschlägen und Fusstritten traktiert hätten. Auch als er bereits am Boden lag, hätten sie noch weiter gegen seinen Kopf getreten (die AZ berichtete).
Der 28-Jährige erlitt dabei laut Bernhard Graser, Mediensprecher der Kantonspolizei Aargau, eine schwere Gehirnerschütterung und Prellungen am Becken. Es gehe ihm den Umständen entsprechend gut; er sei jetzt wieder zu Hause, aber verständlicherweise emotional noch aufgewühlt, so Graser.
Solche Delikte sind in Baden zwar selten, aber die Brutalität schreckt auf. Auch Dano Dreyer, Geschäftsführer des Clubs LWB, ist schockiert über den Vorfall: «Wir sind erschüttert. Auch, weil einfach weitergeprügelt wurde, obwohl der Mann schon am Boden lag.»
Im und vor dem LWB hätten sie aber seit längerem keine Probleme mehr mit gewaltbereiten Personen: «Das können wir zum einen mit unseren Veranstaltungen steuern. Gewaltbereite Jugendliche gehören nicht zu unserem Publikum. Unser Publikum ist anständig», versichert Dreyer. Zum anderen werde beim LWB alles videoüberwacht: «So bieten wir unseren Gästen Sicherheit.» Er plädiert für mehr Videoüberwachung auch in der Stadt: «So würde man die Schuldigen viel schneller finden.»
Bernhard Graser sagte gegenüber TeleM1, dass in diesem Fall zwar Abklärungen bezüglich Videoaufnahmen gemacht worden seien, aber diese Bilder gäben nicht viel her. Die mutmassliche Täterschaft hätte bisher nicht ermittelt werden können und niemand aus dieser Gruppe junger Leute habe sich bei der Polizei gemeldet.
Schlägereien in Baden und Aarau seien aber selten geworden, sagt Graser unter Verweis auf die neusten Kriminalitätsstatistiken: «Noch vor einigen Jahren gab es kaum ein Wochenende, an dem in Baden oder Aarau nicht eine Schlägerei gemeldet worden wäre und die Polizei ausrücken musste.
Solche Gewaltdelikte haben laufend abgenommen, vielleicht auch, weil gewisse Lokalitäten nicht mehr bestehen.» Das bedeute, dass auch Gruppen von Jugendlichen auf ihrem nächtlichen Heimweg weniger als früher angepöbelt und verprügelt würden. Schlägereien an Wochenenden, etwa an Festanlässen, gehörten aber weiterhin zum polizeilichen Alltag.
Auch Andreas Lang, Kommandant der Stadtpolizei Baden, stellt an den Wochenenden keine Zunahme von Gewaltdelikten fest, übermässiger Konsum von Genuss- und Suchtmitteln führe aber oftmals zu Streit und Drohungen. Doch: «Die allermeisten Partygänger benehmen sich anständig und haben sich unter Kontrolle.»
Der «Beobachter» widmet in seiner neuesten Ausgabe unter dem Titel «Die hohe Zeit der Idioten» dem Thema Gewalt im Nachtleben einen ausführlichen Artikel. Die Konsumentenzeitschrift schreibt, dass Gewalttaten in urbanen Zentren zunehmen, obwohl die Jugend selten so brav sei wie heute.
Bei Schweizer Minderjährigen sei die Gewalt seit 2008 gar stark zurückgegangen. Gründe, warum Gewalttaten in Schweizer Städten dennoch zunehmen, seien der ausgebaute öffentliche Nachtverkehr und 24-Stunden-Shops, die die Leute mit billigerem Alkohol ausserhalb der Clubs versorgen — dies ziehe immer mehr Junge aus einem viel grösseren Einzugsgebiet in die Städte.
Das Auftauchen von 24-Stunden-Shops und der damit einhergehenden stetigen Verfügbarkeit von Alkohol beobachtet auch Lorenz Gautschi, Geschäftsführer der «Zäni Bar» in der Mittleren Gasse, mit Skepsis: «Uns Barbetreibern werden viele Auflagen betreffend Alkoholausschank gemacht, aber im öffentlichen Raum dürfen die Leute machen, was sie wollen. Die müssen gar nicht in Bars und Clubs, um Alkohol trinken zu können.» Er würde es begrüssen, wenn Alkohol an öffentlichen Plätzen gar nicht mehr erlaubt wäre: «So wie es in Grossstädten wie Barcelona ebenfalls bereits der Fall ist», sagt Gautschi.
Dano Dreyer hingegen will keine solchen Reglementierungen: «Die führen zu nichts. Da würde einmal mehr die anständige Allgemeinheit bestraft für die paar wenigen, die sich nicht im Griff haben.» Viel eher müsse die Polizei auf öffentlichem Grund sichtbar sein und auch die Betreiber der Shops sensibilisiert werden, die länger offen haben.
Das mache die Gewerbepolizei der Stadtpolizei, sagt Andreas Lang: «Jede derartige Geschäftseröffnung wird geprüft und die Geschäftsinhaber auf die Thematik «Alkohol-Verkauf» sensibilisiert.» Die Gewerbepolizei kontrolliere auch mittels Stichproben. «Die Kooperation der Geschäftsinhaber mit der Stadtpolizei ist vorbildlich», so Lang weiter.
Dreyer wie Gautschi halten Baden für eine sehr friedliche Stadt und hoffen, dass das auch weiterhin so bleibt. Schwere Körperverletzungen nach Partynächten, die laut «Beobachter» vor allem in grösseren Städten wie Bern und Zürich zugenommen haben, sind in Baden selten zu finden. Das beruhigt Dreyer. Er meint lachend: «Gott sei Dank ist Baden da noch ein bisschen Provinz.»
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