Wettingen
Heimatschützer über Murihof-Abbruch: «Das ist eine sehr schwere Straftat»

Nach dem Abbruch des historischen Murihofs in Wettingen müsse man rasch handeln, sagt Heimatschutz-Präsident und Strafrechtsprofessor Martin Killias.

Andreas Fahrländer
Drucken
Was vom Murihof übrig blieb: Die Scheune neben dem Wohntrakt wurde zerstört.

Was vom Murihof übrig blieb: Die Scheune neben dem Wohntrakt wurde zerstört.

Melanie Bär

Der mutmasslich illegale Abbruch des Murihofs in Wettingen erregt die Gemüter. Der ehemalige Lehenshof des Klosters Muri im Wettinger Dorfkern wurde letzte Woche zu einem grossen Teil zerstört. Der Hof stammt aus dem Jahr 1640 und ist als schützenswertes Gebäude im Wettinger Bauinventar eingetragen. Auf dem Areal sollen zwei Neubauten mit Eigentumswohnungen entstehen, der Hof sollte ebenfalls zu Wohnungen umgebaut werden. Dafür lag aber keine Baufreigabe von der Gemeinde vor.

Martin Killias, Strafrechtsprofessor aus Lenzburg und Präsident des Schweizer Heimatschutzes, sagt zu dem Fall: «Hier handelt es sich um eine schwere Straftat.» Er hoffe, dass die Gemeinde Wettingen so schnell wie möglich Strafanzeige erstattet. Zudem sei es in solchen Fällen sinnvoll, sofort eine Grundstücksperre zu verhängen, sprich ein Verkaufsverbot für das Grundstück, hält Killias fest.

So sieht der Murihof nach dem Abbruch der Scheune aus.
12 Bilder
Der Murihof einige Jahre vor dem Abbruch.
Der Murihof und das Nebengebäude aus der Zeit um 1900 (rechts) einige Jahre vor dem Abbruch.
Der Murihof befindet sich an der Dorfstrasse in Wettingen.
So sieht der Murihof nach dem Abbruch der Scheune aus.
So sieht der Murihof nach dem Abbruch der Scheune aus.
Der Murihof wurde 1640 auf Anregung vom Murianer Abt Johann Jodok Singisen erbaut.
Die historische Holzwand zwischen Wohnhaus und Scheune ist verschwunden.
Für den Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern hinter dem Hof lag die Baufreigabe vor.
Für den Abriss des historischen Hofs gab es keine Baufreigabe.
21 Eigentumswohnungen sollten auf dem Areal entstehen, ein Teil davon im historischen Gebäude.
Ob der wertvolle Gewölbekeller und das Portal mit dem Doppelwappen von Muri und von Singisen noch stehen, ist unklar.

So sieht der Murihof nach dem Abbruch der Scheune aus.

Melanie Bär

Staatsanwalt soll aktiv werden

«Ich habe schon ähnliche Fälle erlebt, in denen das Grundstück von illegal abgerissenen Häusern innert kürzester Zeit die Besitzer wechselte», sagt Martin Killias. Dann könne ein Rechtsverfahren richtig kompliziert werden – gerade bei Firmen, bei denen nicht genau klar ist, wer dahinter steckt. Man komme im Fall von illegal abgerissenen Gebäuden sehr schnell in die Nähe der Wirtschaftskriminalität. Umso wichtiger sei es, dass sich die Staatsanwaltschaft nun damit befasse.

Der Abriss des Murihofs ist längst kein Einzelfall. In einer wissenschaftlichen Arbeit hat Killias 2017 dargelegt, was für Sanktionen der Staat bei rechtswidriger Zerstörung geschützter Bauten erlassen kann: Die Möglichkeiten reichen von Bussen von mehreren zehntausend Franken über die Einziehung des illegalen Gewinns bis zur Verpflichtung zum Wiederaufbau.

«Abriss ist unerhört»

Der Aargauer Heimatschutz hatte gegen das Baugesuch im Juni 2015 Einsprache erhoben. In der Folge arbeitete der Verein allerdings eng mit der Gemeinde Wettingen zusammen, um das Bauvorhaben zu optimieren und den Murihof möglichst sanft sanieren zu lassen. Heimatschutz-Geschäftsführer Henri Leuzinger erklärt: «Die Vorgeschichte des Bauvorhabens Murihof war sehr komplex und anspruchsvoll. Wir waren mit drei unserer kompetenten Bauberater an diesem Verfahren beteiligt.» Man habe einen gangbaren Weg gefunden, um die historische Bausubstanz – insbesondere im wertvollen Gewölbekeller – zu erhalten, sagt Leuzinger. «Was jetzt passiert ist, ist unerhört.»

Der Abbruch des Murihofs sei für den Aargauer Heimatschutz ein Präzedenzfall, den man so nicht hinnehmen könne, hält er fest. Der Ball liege bei der Gemeinde, die das widerrechtliche Vorgehen gegen die Baubewilligung verfolgen müsse. Der Aargauer Heimatschutz stehe mit den Behörden in Kontakt. Urs Heimgartner, Leiter der Wettinger Bau- und Planungsabteilung, sagt: «Die ersten nötigen Massnahmen wurden bereits getroffen.» Man sei mit der Bauherrschaft im Gespräch. Diese muss nun als Erstes die Reste des Gebäudes vor Witterungseinflüssen schützen. Andernfalls müsse das die Gemeinde auf Kosten der Bauherrschaft tun.