Baden
Heisser Dampf und faule Eier: Mit den Quellenputzern im Bäderquartier

Einmal im Monat werden die Badener Thermalquellen in aufwändiger Handarbeit vom Schmutz befreit - mit bis zu 50 Meter langen Bürsten.

Andreas Fahrländer
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Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden
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Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Markus Meier und Thomas Seger (im Schacht) bürsten die Quellleitungen mit sogenannten Ruten durch: lange Kabel mit einem Bürstenkopf.
Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Rund um den Kurplatz sprudeln 17 warme und eine kalte Quelle. Sie werden mit Holz- und Kunststoffleitungen zu den Badehotels verteilt.
Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Zurzeit versickert ein grosser Teil des Thermalwassers ungenutzt in der Limmat. Es ist das mineralreichste der Schweiz.
Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Thomas Seger und Markus Meier beginnen um 7 Uhr morgens und brauchen rund sieben Stunden, bis sie alle Quellen geputzt haben.
Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Es rauscht und gurgelt und riecht nach faulen Eiern in den Schächten am Kurplatz.
Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Das Wasser lagert zentimeterdicke Sinterschichten in den Leitungen ab.
Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Die Steinplatten über dem "Heissen Stein" sind immer warm - im Winter bleiben sie schneefrei.
Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Nach tausenden von Jahren dringt das Thermalwasser mit einer Temperatur von 47 Grad Celsius in Baden an die Oberfläche.
Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Die Mineralien lassen alles Metall schnell rosten. Selbst die Hauswand des Hotels Limmathof färben sie rot.
Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Seit Anfang Jahr klafft eine grosse Lücke zwischen dem "Verenahof" und dem "Schweizerhof". Hier standen früher der Staadhof und das Thermalschwimmbad.
Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Die Limmatquelle sprudelt direkt am Flussufer in einer Glassäule. Sie muss bis zur Fertigstellung des neuen Thermalbades besonders geschützt werden.
Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Unter der Limmatpromenade verläuft eine alte Teuchelleitung aus ausgehöhlten Baumstämmen.
Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden Beim "Freihof" fliesst das überschüssige Thermalwasser in die Limmat. Hier kann man auch im Winter seine Füsse ins warme Wasser stellen.

Unterwegs mit den Quellenputzern vom Werkhof Baden

SEVERIN BIGLER

Der Vollmond steht noch am Himmel an diesem kalten Dezembermorgen. Über dem Kurplatz steigt Dampf auf. In den Hotelzimmern im Badener Bäderquartier gehen die ersten Lichter an, vom Stadtturm her schlägt es 7 Uhr. Thomas Seger und Markus Meier warten mit einem Handwagen voller Bürsten auf uns.

Die beiden Werkhofmitarbeiter putzen elf Mal im Jahr im Auftrag der Stadt die Thermalquellen. Etwa einmal pro Monat prüft der städtische Eichmeister die Wasserqualität. Am Tag zuvor werden die Leitungen durchgeputzt und vom weissen Schlick befreit, der sich zentimeterdick in den Röhren ablagert.

Seger und Meier öffnen mit einem Pickel die schweren Schachtdeckel, dann legen sie die Holzbretter zur Seite, die die Quellleitungen abdecken und beginnen, den Schlick wegzubürsten. Es gurgelt und plätschert und stinkt nach faulen Eiern. Das liegt am Schwefelgehalt des Wassers. «Niemand weiss so genau, wie die Leitungen verlaufen», sagt Meier. Aber es seien «schlaue Cheiben» gewesen, die einst die Leitungen hier verlegten, ergänzt Seger.

Auf dem Kurplatz gibt es den Grossen und den Kleinen heissen Stein. Die tonnenschweren Steinplatten über diesen uralten Quellen bleiben auch im tiefen Winter schneefrei. Es gibt die Wälderhutquelle, die St. Verenaquelle und die Limmatquelle, die in der Wassersäule am Flussufer sprudelt. Insgesamt sind es 17 warme und eine kalte Quelle im Bäderquartier. Sie alle lagern mineralischen Niederschlag ab, sogenannten Sinter.

180 Jahre alte Holzleitungen

Mit sogenannten Ruten, langen Kabeln mit einem Bürstenkopf, schrubben Seger und Meier die Leitungen durch. Viele sind noch aus Holz und bis zu 180 Jahre alt. Manche wurden in den letzten Jahren durch Kunststoffröhren ersetzt. «Leitungen aus Metall würden sofort rosten» erklärt Seger. «Das sieht man auch an den Schachtdeckeln, die rot verfärbt sind.» Unter der Limmatpromenade verläuft noch eine alte Teuchelleitung vom «Limmathof» bis zum «Freihof»: Hier fliesst das heisse Wasser durch ausgehöhlte Baumstämme, die zwar aussen langsam etwas bröckeln, innen aber immer noch völlig intakt sind.

Seger und Meier schieben hier die 50 Meter lange Rute mit dem Bürstenkopf von Schacht zu Schacht. Unterhalb des «Freihofs» fliesst das Abwasser dampfend in die Limmat. Es sei eine schöne Arbeit, sind sich Seger und Meier einig. Im Sommer schwitze man, wenn man in den heissen Schächten stehe. «Aber jetzt im Winter ist es angenehm», sagt Seger.

Fast wie in Island

In Baden sprudelt das mineralreichste Wasser der Schweiz, nach tausenden Jahren im Untergrund dringt es mit 47 Grad Celsius an die Oberfläche. Etwa 700 Liter Thermalwasser schütten die Quellen pro Minute aus. Das sind rund eine Million Liter am Tag. Ein Grossteil davon verschwindet zurzeit ungenutzt im Fluss. Dort, wo einst der Staadhof, die Trinkhalle und das Thermalbad standen, prangt seit bald einem Jahr ein grosses Loch und gibt den Blick auf die Limmat und die Goldwand frei.

Das neue Thermalbad soll in drei Jahren seine Türen öffnen. In der Baugrube dampfen jetzt zwischen den Schneeresten Pfützen von Thermalwasser, die Algen färben das Wasser blau und grün. Fast erinnert das Bild an die heissen Quellen auf Island. «Die Frösche freuts», sagt Meier und lacht, bevor es weitergeht zum nächsten Schacht.