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Baden
Einmal im Monat werden die Badener Thermalquellen in aufwändiger Handarbeit vom Schmutz befreit - mit bis zu 50 Meter langen Bürsten.
Der Vollmond steht noch am Himmel an diesem kalten Dezembermorgen. Über dem Kurplatz steigt Dampf auf. In den Hotelzimmern im Badener Bäderquartier gehen die ersten Lichter an, vom Stadtturm her schlägt es 7 Uhr. Thomas Seger und Markus Meier warten mit einem Handwagen voller Bürsten auf uns.
Die beiden Werkhofmitarbeiter putzen elf Mal im Jahr im Auftrag der Stadt die Thermalquellen. Etwa einmal pro Monat prüft der städtische Eichmeister die Wasserqualität. Am Tag zuvor werden die Leitungen durchgeputzt und vom weissen Schlick befreit, der sich zentimeterdick in den Röhren ablagert.
Seger und Meier öffnen mit einem Pickel die schweren Schachtdeckel, dann legen sie die Holzbretter zur Seite, die die Quellleitungen abdecken und beginnen, den Schlick wegzubürsten. Es gurgelt und plätschert und stinkt nach faulen Eiern. Das liegt am Schwefelgehalt des Wassers. «Niemand weiss so genau, wie die Leitungen verlaufen», sagt Meier. Aber es seien «schlaue Cheiben» gewesen, die einst die Leitungen hier verlegten, ergänzt Seger.
Auf dem Kurplatz gibt es den Grossen und den Kleinen heissen Stein. Die tonnenschweren Steinplatten über diesen uralten Quellen bleiben auch im tiefen Winter schneefrei. Es gibt die Wälderhutquelle, die St. Verenaquelle und die Limmatquelle, die in der Wassersäule am Flussufer sprudelt. Insgesamt sind es 17 warme und eine kalte Quelle im Bäderquartier. Sie alle lagern mineralischen Niederschlag ab, sogenannten Sinter.
Mit sogenannten Ruten, langen Kabeln mit einem Bürstenkopf, schrubben Seger und Meier die Leitungen durch. Viele sind noch aus Holz und bis zu 180 Jahre alt. Manche wurden in den letzten Jahren durch Kunststoffröhren ersetzt. «Leitungen aus Metall würden sofort rosten» erklärt Seger. «Das sieht man auch an den Schachtdeckeln, die rot verfärbt sind.» Unter der Limmatpromenade verläuft noch eine alte Teuchelleitung vom «Limmathof» bis zum «Freihof»: Hier fliesst das heisse Wasser durch ausgehöhlte Baumstämme, die zwar aussen langsam etwas bröckeln, innen aber immer noch völlig intakt sind.
Seger und Meier schieben hier die 50 Meter lange Rute mit dem Bürstenkopf von Schacht zu Schacht. Unterhalb des «Freihofs» fliesst das Abwasser dampfend in die Limmat. Es sei eine schöne Arbeit, sind sich Seger und Meier einig. Im Sommer schwitze man, wenn man in den heissen Schächten stehe. «Aber jetzt im Winter ist es angenehm», sagt Seger.
In Baden sprudelt das mineralreichste Wasser der Schweiz, nach tausenden Jahren im Untergrund dringt es mit 47 Grad Celsius an die Oberfläche. Etwa 700 Liter Thermalwasser schütten die Quellen pro Minute aus. Das sind rund eine Million Liter am Tag. Ein Grossteil davon verschwindet zurzeit ungenutzt im Fluss. Dort, wo einst der Staadhof, die Trinkhalle und das Thermalbad standen, prangt seit bald einem Jahr ein grosses Loch und gibt den Blick auf die Limmat und die Goldwand frei.
Das neue Thermalbad soll in drei Jahren seine Türen öffnen. In der Baugrube dampfen jetzt zwischen den Schneeresten Pfützen von Thermalwasser, die Algen färben das Wasser blau und grün. Fast erinnert das Bild an die heissen Quellen auf Island. «Die Frösche freuts», sagt Meier und lacht, bevor es weitergeht zum nächsten Schacht.