Die Finanzen von Turgi sind aus dem Lot geraten. Jetzt äussert sich der Gemeindeammann zu möglichen Zukunftsszenarien. Im Fokus stehen mitunter höhere Steuereinnahmen.
Der Gemeinderat von Turgi zog sich vor einigen Wochen zu einer Klausur zum Thema Finanzen zurück. Diese fand, der finanziellen Lage entsprechend, nicht in einem noblen Kongresszenturm oder in einem Wellnesshotel in den Bergen statt, sondern in einer Beiz im wenige Kilometer entfernten Würenlingen.
Einberufen hatte die Klausur Turgis neuer Gemeindeammann Adrian Schoop (FDP), der im Januar ein schweres Erbe antrat. Die Finanzen waren 2016 derart aus dem Lot geraten, dass ein Defizit von 2 Millionen Franken resultierte. Schoop rechnete bei der Präsentation der Jahresrechnung im April vor, was diese Summe für eine Gemeinde wie Turgi bedeutet: «Wir müssten den Steuerfuss theoretisch um nicht weniger als 33 Prozentpunkte anheben, um dieses Defizit Jahr für Jahr decken zu können.» Eine solche Steuererhöhung sei weder realistisch noch Ziel des Gemeinderates, erklärte der Gemeindeammann; ein Unternehmen könne seine Preise auch nicht beliebig anheben. Es brauche vielmehr eine Strategie mit Massnahmen, um den Finanzhaushalt wieder in den Griff zu bekommen.
«An der Klausur habe ich realisiert, dass wir alle Geduld haben müssen. Vom einen auf den anderen Tag kriegen wir die Finanzen nicht in den Griff; mehr als 80 Prozent der Ausgaben sind gebunden», berichtet Schoop. «Wir brauchen eine Strategie mit Massnahmen, die sowohl die Ausgaben als auch die Einnahmen betreffen. Einfaches Streichen führt nicht zum Ziel; im Gegenteil, dies könnte langfristig sogar Schäden hinterlassen.»
Es ist kein Geheimnis: Langfristig könnte sich Schoop eine Fusion mit Baden vorstellen, wie er letzten September in einem Interview verriet. Angesichts der finanziellen Lage stellt sich die Frage: «Herr Schoop, muss Turgi jetzt mit Baden fusionieren?» Der Gemeindeammann antwortet: «Diese Frage höre ich oft. Finanzielle Herausforderungen dürfen nie den Grund für eine Fusion sein.» Eine solche müsste aus strategischen Überlegungen, wie zum Beispiel der Stärkung der Region erfolgen und Ergebnis eines langfristigen Prozesses sein.
«Und langfristig – kann es sich Turgi leisten, eigenständig zu bleiben?» Schoop zögert, ehe er sagt: «Wir müssen genau prüfen, ob und wo engere Zusammenarbeiten möglich sind, im Sinne einer regionalen Globalisierung.» Es mache beispielsweise keinen Sinn, dass jede Gemeinde teure Maschinen im Werkhof stehen habe – hier könnten Kosten gespart werden.
Vorerst will Turgi es aber alleine schaffen. Hoffnung machen die neusten Zahlen zum Finanzausgleich. Turgi erhält nächstes Jahr 553'000 Franken – mehr als erwartet.
Der Gemeinderat hat an der Klausur zudem kurz-, mittel- und langfristige Massnahmen beschlossen. «Dieses Jahr geht es darum, dass wir all unsere Hausaufgaben richtig machen. Zum Beispiel, dass wir alle Gelder abholen, die uns zustehen, seien die Steuerausstände oder Rückerstattungen Dritter in der Sozialhilfe. Dazu braucht es unter anderem wirksame interne Kontrollsysteme.» Auf Details geht Schoop nicht ein. Tatsache aber ist: Das Arbeitsverhältnis mit dem Leiter Finanzen wurde per 31. Januar in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst.
Neben Massnahmen wie dem Verzicht auf neues Mobiliar im Gemeindehaus oder dem Streichen einer Arbeitsplatzanalyse hat der Gemeinderat beschlossen, eingeschriebene Post nur noch via A-Post-Plus zu versenden – eine leicht günstigere Variante. Gekündigt wurde die Mitgliedschaft zum Verband Beratungszentrum Bezirk Baden (BZB+), was Einsparungen in Höhe von knapp 10'000 Franken pro Jahr ermöglicht.
Mittelfristig sei es ein wichtiges Ziel, höhere Steuereinnahmen zu generieren. Die Revision der Bau- und Nutzungsordnung sei dafür entscheidend, weil sie die Chance zum Wachstum biete, nicht nur auf dem Areal neben dem Bahnhof, sondern auch in den Quartieren. «Wichtig ist, dass wir Turgi als attraktiven Wohnort mit S-Bahn-Anbindung und am Morgen sogar mit einem direkten Zug nach Bern weiter bekannt machen.»