Bis 90 Plätze
Hier entsteht eine Asyl-Grossunterkunft – Mellinger Gemeindeammann fühlt sich überrumpelt

In ehemaligen Saisonnierbaracken in Mellingen will der Kanton Aargau zwischen 60 und 90 Asylbewerber unterbringen. Der Gemeinderat sieht sich vom Vorgehen des Kantons überrumpelt und verlangt eine Baubewilligung. Der Kanton meint, dass keine Baubewilligung notwendig ist.

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Im Mellinger Industriegebiet sollen bis zu 90 Asylbewerber untergebracht werden.

Im Mellinger Industriegebiet sollen bis zu 90 Asylbewerber untergebracht werden.

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«Wir sind sehr überrascht und ja, auch sehr verärgert», sagt Mellingens Gemeindeammann Bruno Gretener. Vor einer Woche traf sich die Gemeinde mit Vertretern des Kantons in der Annahme, es würde über die mögliche Unterbringung von Asylsuchenden auf dem Gheid-Areal diskutiert. Stattdessen wurde der Gemeindeammann vor vollendete Tatsachen gestellt: Noch am selben Tag zogen acht Asylbewerber in die beiden Gebäude an der Gheidstrasse 17. Und dabei soll es nicht bleiben. Der Kanton plant, bis zu 90 Asylbewerber einzuquartieren.

Bruno Gretener, Gemeindeammann von Mellingen

Bruno Gretener, Gemeindeammann von Mellingen

zvg

Dass die Häuser in eine Asylunterkunft umgenutzt werden, war nicht vorgesehen: Seit Februar 2014 liegt die Baubewilligung für das Projekt «Gewerbepark Gheid» vor. Geplant ist, die beiden seit Jahren leer stehenden Liegenschaften abzureissen und stattdessen zwei langgezogene Gebäude zu realisieren – für Gewerbe und Wohnen.

Keine Möglichkeit zur Diskussion

«Uns stört nicht in erster Linie, dass man hier eine kantonale Asylunterkunft machen will», sagt Gretener. «Sondern, dass man uns und vor allem den Anwohnern keine Möglichkeit gibt, im Rahmen eines Baugesuchverfahrens zum Vorhaben Stellung zu nehmen.» Was ist passiert? In den Sommerferien kontaktierte das kantonale Departement Gesundheit und Soziales (DGS) die Gemeinde.

Es kam zu einem Augenschein vor Ort, danach zu einem Gespräch. «Wir forderten den Kanton auf, für die Umnutzung der Gebäude ein Baugesuch einzureichen», sagt er. Zum einen, weil die Baubewilligung nicht für eine Asylunterkunft erteilt wurde, sondern für den Abbruch und den Neubau eines Gewerbeparks. Zum anderen, weil die Zonenkonformität nicht gegeben ist: «Wohnen ist in einer Gewerbe- und Industriezone nur mit einer Ausnahmebewilligung erlaubt.» Ende September trafen sich Gemeinde und Kanton erneut. Gretener: «Uns wurde eröffnet, dass es keine Baubewilligung braucht und am selben Tag acht Asylsuchende einziehen werden.» Wie der «Reussbote» gestern schrieb, wurden die Anwohner vom DGS mit einem Brief über den Einzug informiert.

Weshalb sich die Ereignisse überschlugen, erklärt Daniela Diener vom DGS: «Wir sind dringend angewiesen auf Plätze, vor allem auf oberirdische.» Eröffne sich dem Kanton eine Gelegenheit wie in Mellingen, versuche man, so bald wie möglich zu beziehen. Doch warum konnten die Asylsuchenden so rasch einziehen? Diener: «Die Gemeinde verlangte eine Baubewilligung für das Projekt, worauf der Kanton die Angelegenheit prüfen liess.» Ein Rechtsgutachten sei zum Schluss gekommen, dass es keine Baubewilligung braucht.

Für Bruno Gretener ist die Sache nicht vom Tisch: «Wir prüfen, wie wir die Diskussion noch einmal aufnehmen können und ob alles tatsächlich rechtens vonstattengegangen ist.» Wann die nächsten Asylsuchenden nach Mellingen ziehen, weiss er nicht. Auch ist nicht klar, wann der «Gewerbepark Gheid» gebaut wird. Dem «Reussboten» gab die Bauherrschaft zu Protokoll, dass in der nächsten Zeit nicht mit der Realisierung begonnen werden könne – es fehle das Geld.