Der Buchverlag, der sich für Geschichte und Kulturgeschichte einsetzt, feiert das 20-jährige bestehen. Obwohl der Markt für digitales Lesen auf dem Vormasch ist, sieht man sich beim Verlag nicht in Not.
Es war ein keckes Unterfangen, als Urs Bernet, früherer Mitarbeiter der Buchdruckerei AG Baden (Buag), Bruno Meier, zuvor Leiter des Historischen Museums Baden, und Andreas Steigmeier, Historiker und Stadtarchivar von Baden, im Oktober 1998 den Verlag Hier und Jetzt aus der Taufe hoben. Es geschah quasi in der Not, denn die Herausgabe der Badener Neujahrsblätter 1999 durch den Baden-Verlag stand auf der Kippe – weil die Buag, das Mutterunternehmen, in Nachlassstundung war. Diese gab den Titel frei und damit den Weg für eine erfolgreiche Verlags-Geschichte.
Vielleicht liegt es an der Bezeichnung «Hier und Jetzt», die für einen Verlag, der sich Geschichte und Kulturgeschichte auf die Fahne schreibt, einen zuerst etwas ratlos macht. «Geschichte wird in der Gegenwart, im Hier und Jetzt geschrieben», sagt Meier beim Empfang für das Gespräch. «Hier», und er zeigt auf die Treppe, «stürzte der Mühlibach zur Limmat hinunter», fährt er beim Hinuntersteigen von der Kronengasse in den Arbeitsraum fort. Wo während Jahren Bands in der Musikbeiz «Promi» ihre Liveauftritte hatten, stehen jetzt Bücherregale und Büromöbel, wird gestaltet und lektoriert. Nur alte Kellermauern, die da und dort zum Vorschein kommen, erinnern an einst.
Schrittweise habe man sich einen guten Ruf erarbeitet und den Weg zum Publikumsverlag eingeschlagen, schildert Bruno Meier. Eine wesentliche Rolle spielte dabei sein Netzwerk aus der Zeit der Tätigkeit als Museumsleiter. Im Jahr 2003 wandelte sich die extern organisierte Verlagsboutique zum Unternehmen mit Angestellten.
Hier und Jetzt brachte mit einem Team von acht bis zehn Leuten über 30 Titel jährlich auf den Markt. Nach rund zehn Jahren erfolgte der grosse Durchbruch auf nationaler Ebene, so mit der «Geschichte der Schweiz» von Thomas Maissen (2010). Auch die Historiker im Verlag sorgten mit Werken für Aufmerksamkeit, was Meier in seiner Bescheidenheit fast unterschlägt: «Ein Königshaus aus der Schweiz», oder Meiers jüngstes Werk «1291», in dem er mit einigen Mythen der Eidgenossenschaft aufräumt, was landesweit Diskussionen ausgelöst hat.
Meier ist im Verlag der letzte Verbliebene der ersten Stunde. Die personellen Wechsel hätten der Entwicklung gutgetan, sagt er, auch wenn Abgänge schwerfielen. Er blickt zu Denise Schmid, ebenfalls Historikerin, mit der er sich seit gut zwei Jahren in die Geschäftsleitung teilt. «Wir lassen Bücher entstehen, die gleichzeitig Spass machen und inhaltlich relevant sind», erklärt die motivierte Zürcherin, und sie ist überzeugt, dass man so eine Chance auf dem Markt habe.
Der Markt wird vom digitalen Lesen bedrängt. Meier, der nach wie vor mit sprühender Initiative und wachem Geist präsent ist und die Integrationsfigur des Unternehmens bildet, hält optimistisch entgegen: «Das wissenschaftliche Buch liest man heute in elektronischer Form. Unsere Bücher hingegen erzählen Geschichten, die berühren, betroffen machen, mit denen man sich identifiziert». Das Geschichten-Erzählen, die Strategie des Verlags, erzeuge Freude, egal welches Thema, ob von lokaler, regionaler oder nationaler Bedeutung. «Man muss in ein solches Buch hineintauchen, in einen Bildschirm kann man das nicht», so Meier.
Denise Schmid spricht von einem Spagat, wenn man seriös, aber gleichzeitig verständlich und greifbar sein wolle. Mit gut aufbereiteten und illustrierten historischen Stoffen finde man ein breiteres Publikum. Der Buch-Gestaltung wird darum viel Gewicht beigemessen.
Die erzählerische Seite trifft man ausgeprägt in den Porträtbüchern «Früh los» von Patrizia Purtschert (2011), «Im Fahr» von Susanne Bosshard-Kälin (2018) oder «Seit dieser Nacht war ich wie verzaubert» von Corinne Rufli (2015), die Biografien über Anna-Maria Boxler (2013) und Lina Zingg (2016) von Lisbeth Herger oder über die erste Schweizer Herzanästhesistin Ruth Gattiker von Denise Schmid (2016).
Ebenso lassen sich lokale Stoffe gut verkaufen. Meier führt die Auswanderungsgeschichte des Schams an (Bündnerland) oder die Geschichte des Binntals. Mit der Neuauflage der «Badenfahrt», die David Hess im Jahre 1817 herausgegeben hatte (über 100 Jahre vor dem ersten Fest), beweist Meier zudem, wie unsterblich das Buch ist.
Den ökonomischen Aspekt dürfe man nie ausser Acht lassen, mahnt Meier. Ab etwa 2500 verkauften Büchern gelange man in die Gewinnzone. Gut laufende Titel würden andere quersubventionieren. Aber in vielen Fällen gehe es ohne Sponsoren und Fördergelder nicht. Die Präsenz in der Öffentlichkeit sei darum sehr wichtig, so werden Neuheiten über viele Kanäle beworben, in den Medien, auf Facebook, an Vernissagen und anderen Anlässen.
Im Jahr 2015 zog «Hier und Jetzt» von Dättwil in die Kronengasse in der Badener Altstadt. Team und Titelumfang wurden etwas reduziert. Vor einem Jahr wurde der Verlag mit dem Aargauer Heimatschutzpreis ausgezeichnet. Und heute Abend feiert er im Kulturhaus Royal seinen 20. Geburtstag. Die Bekanntheit des Verlags bietet Gewähr, dass auch in Zukunft namhafte Autorinnen und Autoren an der Kronengasse 20 anklopfen und damit weitere spannende Titel erscheinen werden.