Im Porträt: Nadja Kaufmann verhilft mit ihrem Verein «Forever Kids Kenya» rund 300 afrikanischen Kindern zu einer Schulbildung.
Ihr Mantel ist leuchtend gelb, ihr Haar lang und ebenholzschwarz. Kein Wunder, zieht Nadja Kaufmann alle Blicke auf sich, als sie das Badener Hotel Blume betritt. Sie kommt geradewegs aus Mombasa, wo sie das Projekt ihres Hilfswerks «Forever Kids Kenya» besuchte, eine Schule für mittlerweile 300 Slumkinder. «Ich bin ein sozialer Mensch und wollte mich schon immer in ein gemeinnütziges Projekt einbringen», sagt die heute 36-Jährige.
Während es oft bei guten Vorsätzen bleibt, machte die junge Frau Nägel mit Köpfen. Statt für Ferien entschloss sie sich während ihrer Anstellung bei der Raiffeisenbank Baden 2011 für ein vierwöchiges Volontariat in Mombasa. «Ich wurde als Hilfslehrerin eingesetzt und unterrichtete in einem winzigen Raum eine Klasse von 45 Kindern. Es gab nicht genug Platz zum Sitzen und kaum Lehrbücher. Das hat mich tief getroffen. Vor allem, wenn ich an meine eigene behütete Schulzeit zurückdachte.»
Für die im Aargau aufgewachsene Solothurnerin war klar, dass sie wieder zurückkehren und sich noch mehr einbringen wollte. Es waren nicht nur die Kids, die sie nach Mombasa zurückzogen. Es war auch der heute 34-jährige Kenianer Mark Tipatet. Als Bachelor in Wildlife Management hatte er keinen Job gefunden und wurde in derselben Schule wie Nadja Kaufmann in einem Praktikum als Sportlehrer angeheuert. «Er gefiel mir. Aber es war nicht Liebe auf den ersten Blick», erinnert sie sich. Ihr Lächeln bleibt verhalten, doch ihre dunklen Augen funkeln.
Nach dem Volontariat reiste Kaufmann mit ihrem Vater und den beiden Schwestern Pia und Kate nach Zimbabwe und Südafrika. «Mark und ich schrieben uns täglich. Da merkte ich: Unsere Beziehung ist weit mehr als nur ein Ferienflirt.» Ab dato zog sie die Liebe jedes Jahr nach Kenia. «Ich lebte bei Mark in seiner winzigen Einzimmerwohnung in Mombasa und wir klebten sozusagen 24 Stunden zusammen. Da wurde uns klar, dass wir füreinander geschaffen sind.» 2014 kehrte Nadja Kaufmann ihrer Schweizer Heimat den Rücken und wanderte ganz nach Kenia aus.
Eine glückliche Fügung brachte Nadja Kaufmann und Mark 2013 mit der kenianischen Schuldirektorin Jane zusammen. Die drei gründeten in einem leer stehenden Gebäude in Mombasa das Milele Elimu Centre. Obwohl in Kenia seit 2003 Schulpflicht besteht, gehen längst nicht alle Kinder zur Schule. «Wir besuchten die Familien persönlich und boten Unterricht für wenig Schulgeld und ein Mittagessen an. Das Essen war oft der Hauptgrund, dass die Eltern ihre Sprösslinge zu uns schickten», erzählt Kaufmann. Weniger reibungslos verlief das Einkassieren der Schulgelder; ja, häufig blieben sie ganz aus. Kaufmann, die in der Schweiz als Bank-Angestellte sehr sparsam gelebt hatte, begann, ihr eigenes Geld in das Projekt einzuschiessen. «Aber Monat für Monat schmolz mein Polster. Schliesslich bat ich meine Schweizer Freunde und Kollegen um finanzielle Unterstützung.» Mit Erfolg. Bald erweiterte sich der Kreis an Supportern und der Verein «Forever Kids Kenya» wurde ins Leben gerufen.
«Unter der neuen Flagge konnten wir von Anfang an 80 Kinder unterrichten. Das Schulgeld betrug bloss 60 Franken im Jahr. Trotzdem ist das für die meisten Familien aus den Slums viel. Vor allem, wenn sie mehrere Kinder haben. Deshalb braucht es einen Zuschuss, damit die Schule mit den tiefen Schulgebühren überhaupt funktionieren kann.» Mediale Präsenz und ein gutes Netzwerk machten das Wunder möglich: Heute beschäftigt «Forever Kids Kenya» 13 Lehrerinnen und Lehrer. 300 Kinder zwischen 4 bis 17 Jahren besuchen Kindergarten und Primarschule. 2019 schafften die ersten Schülerinnen und Schüler sogar den Abschluss der weiterführenden Sekundarschule.
Vor fünf Jahren heiratete Nadja Kaufmann ihren Mark in Mombasa. 2017 entschloss sich das Ehepaar, in die Schweiz zurückzukehren, und liess sich in Untersiggenthal nieder. Während er in der Logistik einen Job fand, arbeitet sie wieder bei der Raiffeisenbank. «Wir wollen Geld sparen und suchen weiterhin Spender. Unser nächstes Ziel ist es, ein Stück Land zu kaufen, um darauf unser eigenes Schulgebäude zu bauen», erzählt Kaufmann. Hat sie an ihrem Weg nie gezweifelt? «Nein. Aber schon oft die Nerven verloren», gesteht sie. «Die Behörden in Kenia legen uns viele Steine in den Weg.» Doch sie sei beharrlich. «Und noch beharrlicher ist Mark. Er ist derjenige, der mit den Ämtern streitet und diskutiert, wenn es nötig ist.»
Kaufmanns grösster Lebenseinbruch: der Krebstod ihrer philippinischen Mutter 2010. Nach der Scheidung ihrer Eltern blieb sie bei ihrem Papa und ihren zwei Schwestern im Aargau und lebte lange in Baden. Sie besuchte ihre Mutter regelmässig auf den Philippinen – auch in den letzten Tagen bis zu ihrem Tod. Auch wenn die Schule in Kenia ihr Herzstück ist und sie jetzt in der Schweiz lebt, will Kaufmann den Kontakt zu ihren Familienangehörigen in Asien unbedingt weiterpflegen. «Ich bin eine Pendlerin zwischen drei Welten», bekundet sie. Ob sie mit Mark in der Schweiz bleibt oder wieder nach Afrika zieht, ist offen. «Ich plane nicht mehr weit voraus. Das habe ich in Kenia gelernt. Langfristige Planung hat dort nie funktioniert. Wichtig ist mir, dass ‹Forever Kids Kenya› weiterwächst und unser Projekt ausgebaut werden kann. Denn das ist mein Lebenswerk.»