Hilfsprojekt
Zukunft für Slumkinder: Badener Schwestern bauen Schulhaus in Kenia

Mit dem Hilfsprojekt «Forever Kids Kenya» ermöglichen Nadja und Pia Kaufmann seit 2013 den Betrieb einer Slumschule in Mombasa – gemeinsam mit ihren engsten Freunden. Jetzt haben sie Land für ein eigenes Schulhaus gekauft. Ein grosser Schritt.

Rahel Künzler
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Pia (links) und Nadja Kaufmann pflegen eine enge Freundschaft unter Schwestern: «Wir machen fast alles zusammen.»

Pia (links) und Nadja Kaufmann pflegen eine enge Freundschaft unter Schwestern: «Wir machen fast alles zusammen.»

Alex Spichale

«Heute war der erste Schultag nach den Ferien. Die Kinder haben sich riesig auf den Unterricht gefreut», sagt Nadja Kaufmann. Vor acht Jahren gründete sie gemeinsam mit ihrem kenianischen Mann Mark Tipatet die Slumschule Milele Elimu Centre in der Grossstadt Mombasa. Mittlerweile unterrichtet diese 300 Kinder im Alter zwischen fünf und 14 Jahren. Fürs Interview in Baden trägt die 37-Jährige ein weisses T-Shirt mit dem Logo ihres Lebenswerkes auf dem Herzen.

Gerade ist Nadja Kaufmann von einem Besuch in Kenia zurückgekehrt. Mark sei noch vor Ort geblieben und habe sie per Videotelefonie durch alle Klassenzimmer geführt. Sie sagt:

«Zu sehen, wie unsere Schüler aufwachsen und ihren Weg gehen, macht mich stolz.»

Im Januar haben die ersten beiden Absolventen den grossen Schritt an die Uni geschafft.

«Auch an den Wochenenden treffen sich die Kinder in der Schule. Sie ist ihr sicherer Hafen», ergänzt die drei Jahre jüngere Schwester Pia Kaufmann. Auch sie ist Gründungsmitglied von «Forever Kids Kenya» – dem Verein mit Sitz in Baden, der den Schulbetrieb in Kenia erst ermöglicht hat.

Wegen Corona Land für Schulhaus billiger gekauft

Vor knapp einem Monat feierten die neun Vereinsmitglieder – darunter auch die dritte und jüngste Schwester Kate Kaufmann – den wohl bisher grössten Erfolg seit der Vereinsgründung: In Kenia unterschrieb Nadja Kaufmann den Vertrag für ein Stück Land in Fussdistanz zum jetzigen Schulstandort. Der Grundstein für das eigene Schulgebäude. Endlich.

«Jahrelang haben wir Spendengelder gesammelt und nach einem passenden Grundstück gesucht», so Nadja Kaufmann. Wohl auch wegen Corona sei ihnen ein Landbesitzer mit dem Preis entgegengekommen. Sie sagt:

«Ein eigenes Schulhaus schafft Platz, um weitere Kinder aufzunehmen. Vor allem aber sichert es die Zukunft der Schule, weil der Eigentümer die Miete schon mehrmals radikal erhöhte.»

Das aktuelle Mietverhältnis sei schlecht. Für dringend nötige Renovierungsarbeiten am alten Gebäude, das seit 2013 als Schulhaus dient, stelle sich der Vermieter quer. «Im Neubau hätten wir endlich fliessendes Wasser für sanitäre Anlagen und könnten auch einen Computerraum, ein Lehrerzimmer sowie eine Kantine unterbringen», so Pia Kaufmann.

Grosses Crowdfunding für Schulbau gestartet

Während ihr Mann in Kenia das Bauprojekt aufgleist, ist Nadja Kaufmann in die Schweiz zurückgekehrt. «Wieder ganz anzukommen, braucht Zeit», sagt die 37-Jährige, die als Kundenberaterin bei einer Bank arbeitet. «Im Kopf bin ich bei den Kindern in Mombasa.» Die Vereinsarbeit sei immer präsent – auch am Familientisch, fügt Pia Kaufmann an. «Jeden Sonntag treffen wir uns zu beim Vater zum gemeinsamen Abendessen. Dieses Mal war es ein Mix aus Jassen und Vorbereiten für Crowdfunding», so die 34-Jährige.

Der Standort des Milele Elimu Centre in Mombasa:

Für den Schulbau benötigt der Verein nämlich nochmals 150'000 Franken. Diese möchten die Mitglieder über ihre bisher grösste Crowdfunding-Aktion auf der Spendenplattform Gofundme sammeln. Eine Frist haben sie keine gesetzt. «Sobald ein grösserer Betrag beisammen ist, starten wir in Etappen mit dem Bau», so Nadja Kaufmann.

Beide Schwestern arbeiten im Vollpensum. Daneben das Engagement für «Forever Kids Kenya»: Sitzungen am Abend, Flohmarkt und Benefiz-Veranstaltungen an den Wochenenden. Wird das nicht zu viel? «Die Vereinsaktivitäten fühlen sich nicht an wie Arbeit», so Pia Kaufmann. «Bei unseren Meetings kochen wir gemeinsam und reden über Privates.» Nadja Kaufmann bestätigt:

«Es ist unser engster Freundeskreis, der für dieses Projekt arbeitet. Wir sind wie eine grosse Familie.»

Die Reiselust vom Vater, die soziale Ader von der Mutter

Neun Jahre wohnten Pia und Nadja Kaufmann zusammen in einer WG in der Badener Altstadt. Unzählige Reisen haben sie gemeinsam mit der jüngsten Schwester unternommen. Auch die Wochenenden verbringen sie oft im Dreierbund: Pia, Nadja und Kate Kaufmann pflegen eine enge Freundschaft unter Schwestern. Damit würden sie in der Schweiz auffallen. Viele sagen: «Was, ihr macht so viel zusammen – und ihr seid Schwestern?», sagt Nadja und lacht.

2011 entschieden sich die beiden älteren Schwestern, gleichzeitig ein Volontariat in einer Schule in Afrika zu machen – Pia Kaufmann in Tansania, Nadja Kaufmann in Kenia. Zum gemeinsamen Hilfsprojekt sagt Nadja Kaufmann: «Das musste so kommen.»

Durch ihre Mutter aus den Philippinen hätten sie schon früh kennen gelernt, «wie das Leben ausserhalb der Schweiz sein kann». Die finanzielle Unterstützung aus der Schweiz hätte ihren philippinischen Cousins und Cousinen erst die Schulbildung ermöglicht. Weil der Vater als Ingenieur für die BBC an Projekten im Ausland arbeitete, lebte die Familie unter anderem zwei Jahre in Botswana und Simbabwe. Pia Kaufmann sagt:

«Die soziale Ader haben wir von der Mutter, das Interesse am Reisen und an anderen Kulturen vom Vater.»
Nadja Kaufmann mit Schülern bei ihrem letzten Besuch im «Milele Elimu Centre» in Mombasa im April. Auch in Kenia gilt eine Maskenpflicht.

Nadja Kaufmann mit Schülern bei ihrem letzten Besuch im «Milele Elimu Centre» in Mombasa im April. Auch in Kenia gilt eine Maskenpflicht.

Nadja Kaufmann