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Obwohl Reisefachfrau Margreth Haug (65) in Pension ist, arbeitet sie weiter – den Reisevirus bekommt sie nicht los.
Wenn es ums Reisen geht, ist Margreth Haug (65) aus Mellingen sofort zur Stelle. Das hat damit zu tun, dass sie bis zur Pensionierung im März 2018 rund 30 Jahre lang als Reisefachfrau bei verschiedenen Veranstaltern gearbeitet hat. Dabei beriet sie Kunden, organisierte und verkaufte Ferienreisen. Zum anderen erkundet Haug seit je die Welt. So fuhren sie und ihr Mann kürzlich mit einem Offroader mit Dachzelt vier Wochen durch Botswana. «Von den zahlreichen Orten, die ich besucht habe, fasziniert mich das südliche Afrika am meisten. Nicht nur der Tierwelt wegen. Sondern auch, weil die Menschen sehr herzlich sind. Und das, obwohl sie fast nichts haben», sagt sie.
Derzeit ist die gebürtige Bernerin, die zwei Töchter und ein Enkelkind hat, wieder auf Reisen. Sie ist für zwei Wochen auf einem Flussschiff unterwegs und erkundet die Rhonelandschaft. Speziell dabei: Margreth Haug ist nicht als Touristin, sondern als Reiseleiterin an Bord und kümmert sich um rund 130 Passagiere. «Ich bin glücklich, dass ich trotz Pensionierung weiterhin in der Reisebranche tätig sein kann.»
Wie kommt das? Rückblende: Als Margreth Haug vor einem Jahr pensioniert wird, ist ihr nicht wohl dabei. Ihr bereitet die Leere danach Sorgen – und, dass sie ihre Leidenschaft fürs Reisen, die sie ihr ganzes Berufsleben begleitet hat, nicht mehr weitergeben kann. «Als entdeckungsfreudige Person wollte ich diese Zeit nicht einfach aufgeben», erinnert sie sich. Also fragt sie bei ihrem damaligen Arbeitgeber nach einer Lösung. Über das Familienunternehmen Twerenbold Reisen, für das Haug die letzten fünf Jahre als Reisefachfrau tätig war, kommt sie nur einen Monat nach der Pensionierung zu dessen Tochtergesellschaft, dem Reisebüro Mittelthurgau. «Seither bin ich rund 70 Tage im Jahr als Teilzeit-Reiteleiterin auf Flussschiff- sowie Hochseekreuzfahrten dabei», freut sie sich.
Die Faszination Reisen beschreibt sie wie folgt: «Es ist das Organisieren an sich und die Neugierde über das, was mich am neuen Ort erwartet.» Auch das Unwissen, ob während der Reise alles klappt oder etwas Unerwartetes geschieht, reize sie. «Ich war zig Mal in den USA, reiste durch Südamerika und Asien, besuchte Australien und Neuseeland, zum Teil mit Rucksack, Kanu und öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich hatte stets Glück und machte selten negative Erfahrungen.» Im Gegenteil, erzählt Haug und fügt als Beispiel die Reise nach Indonesien an, bei der ihr Mann an einer Sehenswürdigkeit die Filmtasche liegen liess: «Als wir uns entfernten, rannte uns ein Einheimischer nach und brachte die Ausrüstung zurück.» Ähnliches geschah in Lima. Beim Aussteigen aus dem Taxi fiel ihr unbemerkt das Portemonnaie mit dem Reisegeld für sechs Wochen und den Dokumenten auf den Boden. Auch hier rannte ihr ein Peruaner mit der verloren gegangenen Ware nach. «Ich glaube, wenn man den Gastgebern Vertrauen entgegenbringt, dann kommt auch Dankbarkeit zurück.»
Bei all der Liebe zum Reisen: Hat Haug nie ein schlechtes Gefühl, gerade was die Klimaproblematik betrifft? «Ich bin ein ‹Reisefüdli›, das gebe ich zu. Jedoch versuche ich, so nachhaltig wie möglich zu reisen», sagt sie. Beispielsweise würde sie es unterlassen, einen Billigflieger zu buchen und nur für ein paar Tage wegzufliegen. Auch vermeide sie grosse Hotelanlagen. «Ich gehe lieber mehrere Wochen weg und schlafe in Unterkünften bei Privatleuten oder im Zelt.» Es beschäftigt sie, dass das Reisen heutzutage zu Spottpreisen möglich sei und dadurch immer mehr gereist werde. «Ich wünschte mir, dass die Menschen mehr auf die Qualität statt auf den Preis achten würden.»
Margreth Haug zog es bereits nach der obligatorischen Schule in die Reisebranche. Erst absolvierte sie bei den SBB eine Lehre. Später entschied sie sich für einen Quereinstieg bei Hotelplan, holte das KV nach und bildete sich berufsbegleitend zur Reisefachfrau weiter, ehe sie zu Twerenbold wechselte. «Die Reisebranche ist herausfordernd. Für mich war es aber stets ein positiver Stress. Wenn man Kunden für eine Reise begeistern kann, ist das eine grosse Genugtuung», blickt Haug zurück. Auch, als sie eine Zeit lang für Badeferien zuständig war, bewahrte sie jeweils ruhig Blut. «Das mochte ich gar nicht», sagt sie und lacht. Die Preise seien im Keller und die Hotels würden ständig wechseln. «Dadurch ist es schwieriger, Kunden für Ferien zu überzeugen», erklärt Haug, die in ihrer Freizeit gerne mit ihrer Enkelin spielt, sich mit Kolleginnen zum Jassen trifft und in den Turnverein geht.
Mit dem Wechsel zur Teilzeit-Reiseleiterin hat sich Haugs Tätigkeit geändert. «Heute habe ich nicht mehr mit Kunden zu tun, sondern mit Gästen, die ich vor Ort begrüsse. Das war zu Beginn eine Umstellung», sagt sie. Gleich auf ihrer ersten Flussreise im letzten Jahr hatte sie es mit einem widerborstigen Passagier zu tun und mit einem Gast, der zu Boden fiel und einen Knochenbruch erlitt. Nicht zuletzt gabs Niedrigwasser, womit die Reise nach Prag nicht mehr per Schiff durchgeführt werden konnte.
Privat geht es für Margreth Haug im Sommer wieder los – mit ihrem Mann nach Süditalien: «Die naheliegenden Länder haben wir uns extra aufgespart für die Zeit nach der Pensionierung», sagt sie und lächelt.