Der neue Stadtpräsident von Dietikon, Roger Bachmann, beklagt sich über die vielen Pendler aus dem Nachbarkanton. Im Interview erklärt er, wieso.
Die Zeiten, in denen Zürcher Ressentiments gegen den Kantonsnachbarn äusserten, wären längst vorbei, glaubten viele Aargauer – und nun diese Schlagzeile: «Stadtpräsident lästert über Aargauer», titelte der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Dienstag. Der neue Stadtpräsident von Dietikon ZH, Roger Bachmann (SVP), äusserte sich bei einem Rundgang durch die Stadt vor den Sommerferien kritisch über die Pendler aus dem Nachbarkanton: Aargauer besetzten Parkplätze, verstopften S-Bahnen und Strassen, nützten aber dem heimischen Gewerbe nichts. Im Interview sagt Bachmann nun, er wolle die Weisse-Socken-Sticheleien beziehungsweise die Hassliebe zwischen Zürich und Aargau nicht neu aufflammen lassen. Vielmehr wolle er auf eine verkehrspolitische Realität aufmerksam machen.
Haben Sie etwas gegen Aargauer, Herr Bachmann?
Roger Bachmann: «Nein, natürlich habe ich nichts gegen Aargauer. Die Schlagzeile empfand ich als humoristisch. Tatsache ist aber, dass in unserer Stadt eine Verkehrsproblematik besteht, und es ist ebenfalls Realität, dass die Aargauer dabei eine wichtige Rolle spielen.
Sie sprechen von den Pendlern, die ihr Auto in Dietikon abstellen und von dort mit der S-Bahn ins Zürcher Stadtzentrum fahren.
Ja, wenn Sie sich auf den Park and Rail-Plätzen bei unserem Bahnhof umsehen, stellen Sie fest, dass viele Autos Aargauer Kennzeichen haben. Es kostet weniger, das Auto bei uns abzustellen als in der Stadt Zürich. Dasselbe auf der Autobahn im Stau: viele Aargauer. Dasselbe auch in den vollgestopften S-Bahn-Zügen: viele Pendler aus dem Aargau. Es ist ein Fakt: Unsere Bevölkerung leidet unter den vielen Pendlern, und es ist nun mal so, dass viele aus dem Aargau stammen. Wenn das Gewerbe profitieren würde, würden wir uns nicht oder weniger beschweren. Aber die Aargauer kaufen nicht bei uns ein, generieren keine Wertschöpfung. Es geht nicht um die Hassliebe, die zwischen Zürchern und Aargauern schon immer bestand, oder um Sticheleien wegen weisser Socken. Aber es gibt nun mal verkehrspolitische Realitäten, die uns stören.
Wie wollen Sie auf die Pendler-Problematik reagieren?
Wir haben bereits reagiert und beispielsweise blaue Zonen eingeführt, damit die Aargauer nicht auch noch die Parkplätze in den Quartieren belegen. Und ich unterstütze die Limmattalbahn. Wenn schon Pendler, dann lieber Bahn- als Autopendler.
Sie wollen Aargauer Autofahrer also aus Dietikon verdrängen. Umgekehrt gibt es Zürcher Einkaufstouristen, die Strassen im Aargau verstopfen ...
... ich verstehe Aargauer, die sich daran stören, ich bin gar nicht begeistert vom Einkaufstourismus. Ich bin mir auch bewusst, dass es sich bei einigen Autopendlern, die bei uns parkieren, um Zürcher handelt, die im Aargau Bauland gekauft haben, aber in Zürich arbeiten.
Sie stimmen also zu, dass Kantonsgrenzen an Bedeutung verlieren, und doch wollen Sie zum Gärtchendenken zurückkehren. Ist es nicht eine Utopie, verkehrspolitische Herausforderungen im Alleingang lösen zu wollen?
Zum Stichwort Gärtchendenken: Ich bin überzeugt davon, dass sich ein Grossteil der Bevölkerung nach einem kleinräumigen Leben sehnt. Aber keine Angst: Wir werden keine Barrieren an unserer Stadtgrenze aufstellen. Unsere Aargauer Nachbargemeinden Spreitenbach und Bergdietikon, mit denen wir übrigens eine sehr gute Zusammenarbeit pflegen, kämpfen ja mit ähnlichen Problemen, mit Durchgangs- und Zubringerverkehr. Das zeigt, dass es sich nicht um ein Aargau-Zürich-Problem handelt, sondern um eine grundsätzliche Verkehrsproblematik. Wir müssen darüber nachdenken, die Parkplatzpreise zu erhöhen.
Sie gehören der SVP an, wollen Parkplatzpreise erhöhen, und Ihnen sind öV-Pendler lieber als Autopendler. Diese Vorschläge hätten wir eher von einem linken Politiker erwartet.
Es geht nicht um links oder rechts. Es geht darum, dass wir unsere Stadt vor Verkehr schützen müssen, der nicht hausgemacht ist. Im Übrigen bin ich nicht in allen Fällen ein Befürworter des öffentlichen Verkehrs. Die Bremgarten-Dietikon-Bahn bringt uns wenig. Sie bringt vor allem Aargauer in Richtung Zürich. Zu dieser Bahn haben viele Dietiker ein ambivalentes Verhältnis. Viele, auch ich, gerieten schon mit dem Velo in die Schiene und fielen hin. Das sorgt für negative Erinnerungen. So tickt der Mensch nun mal.
Gibt es denn Dinge, die Sie am Aargau mögen?
Mein Vater wuchs in Brugg auf, und als Kind verbrachte ich viel Zeit bei meinen Grosseltern. Wir Zürcher müssen neidlos anerkennen, dass die Aargauer Politiker in den vergangenen Jahren einen guten Job gemacht haben bei Infrastrukturprojekten wie etwa dem Ausbau des Bareggtunnels. Die Aargauer Politiker in Bern halten besser zusammen als die Zürcher Politiker.
Nicht wenige Aargauer Gemeinden, wie etwa Wettingen, orientieren sich in Richtung des boomenden Limmattals. Ist das in Ihrem Sinn?
Wir begrüssen es grundsätzlich, wenn Aargauer Gemeinden mit uns zusammenarbeiten wollen. Denn das könnte dazu führen, dass wir für unsere Anliegen besseres Gehör finden, wie eben etwa bei der Verkehrsproblematik.
Welchen Ruf haben Aargauer in Dietikon?
Keinen anderen als Luzerner oder Walliser. Wenn Sie sich auf der Strasse umhören, würde aber sicher mehr als die Hälfte der Menschen erwähnen, es gebe eine Verkehrsproblematik in unserer Stadt und dass Aargauer daran nicht unbeteiligt sind.