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Nach 2011 und 2015 tritt Lilian Studer diesen Herbst bereits zum dritten Mal bei den Nationalratswahlen an. Weshalb sie sich dieses Jahr Hoffnungen auf eine Wahl machen darf
Auch wenn sie erst 41-Jahre alt ist und für die kleine EVP kandidiert, so gehört Lilian Studer doch zu den bekannteren Politikerinnen in der Region. Im Alter von erst gerade 24 Jahren wurde sie in den Grossen Rat gewählt – blickt also auf fast zwei Jahrzehnte kantonale Parlamentserfahrung zurück. «Ich war zwar politisch immer sehr interessiert und konnte mir auch vorstellen, mich dereinst politisch zu engagieren. Aber als Jugendliche stellte ich mir immer vor, dies im Alter von 40 oder 50 zu tun», sagt Studer mit einem Lachen.
Dabei ist es alles andere als ein Zufall, dass die Wettingerin mit dem Polit-Virus infiziert wurde. Ihr Vater Heiner Studer sass von 1999 bis 2007 ebenfalls für die EVP im Nationalrat. Zu seinen grössten Erfolgen zählte die Abschaffung der Gewissensprüfung für den Zivildienst, die er in einer Motion 2004 forderte. Wie Lilian Studer wurde auch ihr Vater 1973 sehr jung in den Grossen Rat gewählt. Mit erst 23 Jahren war er das jüngste Parlamentsmitglied. Fast zeitgleich politisierte Studer auch im Wettinger Einwohnerrat. Am 22. September 1985 wurde er in den Gemeinderat gewählt; 1994 zum Vizeammann. Ende 2013 trat er schliesslich zurück. «Mein Vater hat mich nie in die Politik gedrängt. Vielmehr bin ich einfach sehr früh mit der Politik in Berührung gekommen, weil bei uns zu Hause viele Persönlichkeiten und unterschiedlichste Menschen ein- und ausgingen», so Studer.
Aber nicht nur ihr Vater war politisch aktiv, sondern auch ihre Mutter, die aus dem Norden Norwegens stammt. «Weil auch mein Vater Norwegisch lernte, sprachen wir Zuhause bis zur Primarschule fast nur norwegisch», erinnert sich Studer. Auch sonst sei der Familien-Alltag nordisch geprägt gewesen. «Wir assen sehr oft Fischgerichte; lange wusste ich gar nicht, dass Älplermagronen ein Schweizer Nationalgericht ist.» Auch heute reist sie noch regelmässig nach Norwegen, wo ihre 94-jährige Grossmutter in der Nähe von Alesund lebt.
Die mittlere von drei Schwestern besuchte nach der Primarschulde die Sek und absolvierte später die Diplommittelschule an der Kanti Wettingen. In der Freizeit nahm sie beim Schulsport und beim Turnverein teil und entdeckte bald die Faszination des Tanzens.
Beruflich schlug Studer den pädagogischen Weg ein und liess sich am «Semi» zur Lehrerin für textiles Werken ausbilden. «Ich habe zwar einige Jahre in Teilzeit als Werklehrerin gearbeitet, merkte aber auch, dass ich noch etwas anderes ausprobieren wollte.» Mit dem Studium in Modedesign in Norwegen habe es dann aber aufgrund einer Formalität nicht geklappt. Nach einem Austauschjahr in Venezuela sei bei ihr immer mehr der Wunsch gewachsen, «der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Ich bin immer mehr in die Freiwilligenarbeit und den Non-Profit-Bereich gerutscht». Beruflich ist sie seit 2014 als Geschäftsführerin des Blauen Kreuzes Aargau/Luzern tätig. Nebst des Berufes ist Studer im Beirat Verein Palliative Aargau und von 2009 bis 2018 war sie zudem Präsidentin von Benevol Aargau, der Fach- und Vermittlungsstelle Freiwilligenarbeit. Nicht zufällig sind das genau die Bereiche, wo sich Studer auch politisch stark engagiert.
Ja, als Mitglied der EVP habe sie immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen. Doch wo und wie widerspiegelt sich das evangelische Gedankengut in ihren Werten und ihrem Handeln? «Ich bin eigentlich ganz normal aufgewachsen. Klar gab es ein Dankeslied vor einer Mahlzeit. Und wir haben oft die Sonntagsschule oder die Kirche besucht; das war für mich normal.» Sie habe für sich schon früh gewusst: «Gott existiert.» Weil sie aber offen auf Menschen zugehe und andere Meinungen zulasse, könne sie Vorurteile jeweils schnell abbauen und widerlegen. Wie steht sie zu Themen wie gleichgeschlechtlicher Ehe und zum Beispiel Abtreibung. Studer wählt die Worte vorsichtig und zugleich bestimmt: «Die Familie und die Ehe zwischen Frau und Mann ist für mich die Kernzelle unserer Gesellschaft. Diese soll gestärkt werden. Gleichzeitig kann man sich aber auch gesellschaftlichen Entwicklungen nicht verschliessen.»
Und zum Thema Abtreibung sagt Studer: «Es gibt Fälle, wo das leider der letzte Ausweg ist. Grundsätzlich habe ich aber schon den Eindruck, dass man allzu leichtfertig mit dem Thema, respektive dem Entscheid einer Abtreibung umgeht.» Sie wünsche sich für betroffene Frauen noch mehr und gute Anlauf- und Beratungsmöglichkeiten.
Obwohl sie über einen grossen Polit-rucksack verfügt – sie ist seit acht Jahren Fraktionspräsidentin und seit 2017 Präsidentin der Kommission für Justiz –, ist eine Wahl im Herbst alles andere als sicher. «Wenn ich aber nicht an meine Chance glauben würde, dann würde ich nicht antreten», stellt Studer klar. Hoffnung darf sie sich auch dank der Listenverbindung mit der BDP machen. Und immerhin hat sie 2011 und 2015 mit Abstand das beste Resultat ihrer Partei erzielt. Über einen Parteiwechsel habe sie nie nachgedacht. «Ich habe der Partei viel zu verdanken, und die EVP erlaubt es mir, mich selbst zu bleiben und meine Werte zu leben.» Sie sehe sich und ihre Partei in der Brückenbauer-Position. «Dass dies auch viele Wähler so sehen, haben bei den letzten Wahlen auch die sehr vielen Panaschierstimmen gezeigt.» Welche Werte vertritt sie denn? «Glaubwürdigkeit, Gerechtigkeit, Menschenwürde und auch Nachhaltigkeit.» Dabei springe sie jetzt nicht einfach auf das «Klima-Pferd» auf. «Seit der Gründung der EVP ist die Nachhaltigkeit und das Sorgetragen der Schöpfung ein absolut zentraler Wert», betont Studer.
Was, wenn es mit der Wahl nicht klappt? Würde sie auch einmal ein Exekutivamt reizen? Studer entgegnet die Frage mit einem Schmunzeln: «Ich würde es nicht ausschliessen. Ich mache mir natürlich so meine Gedanken zur politischen Zukunft. Warten wir jetzt erst einmal den 20. Oktober ab.»