Baden
In der Küche finden Süchtige, Arbeitslose und Einsame zurück ins Leben

Sucht, Arbeitslosigkeit, Einsamkeit, psychische oder körperliche Krankheit: Die Schicksale der Menschen, die in der Küche des christlichen Sozialwerkes «Hope» mithelfen, sind meist tragisch. Dass sie sich wieder wertvoll fühlen, ist eines der Ziele von «Hope».

Stefanie Suter
Drucken
Yasemin, Etienne und Susanne Steimer in der Küche.

Yasemin, Etienne und Susanne Steimer in der Küche.

Alex Spichale

«Wir helfen diesen Menschen, indem sie als Freiwillige bei uns für das öffentliche Restaurant mitkochen können», erklärt Susanne Steimer. In der Küche riecht es nach gedämpftem Blumenkohl, im Hintergrund brutzelt und zischt es. Steimer ist Personalverantwortliche im Gastro-Bereich. Sie und der Zivildienstleistende Etienne kochen zusammen mit den Freiwilligen. Die Lebensmittel, die das «Hope» von der Schweizer Tafel erhält, machen dies überhaupt möglich. Die Tafel ist ein Projekt der Stiftung Hoffnung für Menschen in Not.

Der Tisch in der Küche ist mit Gemüse und Früchte voll beladen. «Vegetarische Gäste können eine Extraportion Gemüse bestellen», sagt Steimer mit Blick auf den Tisch und lächelt. Sie schneidet das Gemüse und erzählt über die Schicksale der Menschen, die als Freiwillige in der Küche mithelfen: «Sie haben schwere Zeiten erlebt – die einen haben einen Drogen- oder Alkoholentzug hinter sich.» Andere seien in eine Depression hineingeraten, weil sie während längerer Zeit arbeitslos waren. «Wir unterstützen diese Menschen dabei, sich wieder in der Gesellschaft zu integrieren, sich wieder als wertvoll zu fühlen – sie müssen die Veränderung aber anstreben.» In dem sie für das Restaurant kochen würden, befänden sie sich in einer Situation wie an einer normalen Arbeitsstelle.

Esswaren, die nicht verkauft werden

Vier Mal pro Woche liefert die Schweizer Tafel Esswaren, die Grossverteiler nicht verkaufen konnten. Das Mindesthaltbarkeitsdatum darf nach Gesetz aber noch nicht überschritten sein. «Diese Esswaren sind meist tadellos», sagt Steimer. Das Gleiche gelte für Gemüse, das nicht mehr so schön aussehe: «Verfärbtes Gemüse muss man nicht wegwerfen», sagt sie bestimmt und zeigt auf einen Blumenkohl: «Dieser hier ist geniessbar, obwohl er an einigen Stellen etwas dunkel geworden ist. Das wird herausgeschnitten, der Rest landet in der Suppe.» Einen anderen nimmt sie in die Hand: «Der hier ist noch schön, ihn können wir im Salat verwenden», sagt sie und reicht den Blumenkohl an Elisabeth weiter, die den Salat zubereitet.

Unterdessen vermischt sich der Geruch von Blumenkohl mit Kokosnuss. Steimer öffnet den Ofen und kontrolliert zufrieden den Reis, den sie mit Kokosmilch übergossen hat. «Ich wusste nicht genau, welche Sorte Reis dies ist», verrät sie. Die Packung sei in einer Sprache angeschrieben gewesen, die sie nicht verstanden habe: «Wir werden aus den verschiedensten Läden mit den unterschiedlichsten Nahrungsmitteln beliefert – wir müssen bei der Menüplanung und beim Kochen flexibel sein und improvisieren», sagt sie und lacht. Auch im Service sind Flexibilität und Improvisationstalent gefragt: Die beiden, die hätten servieren sollen, haben sich krank gemeldet. Etienne und Elisabeth springen kurzerhand ein.

Alle Religionen sind willkommen

Um 11.30 Uhr treffen die ersten Gäste ein. «Bis zu 45 Personen bewirten wir über Mittag», sagt Steimer. Für das Küchenteam ist das Essen kostenlos, die Gäste zahlen einen kleinen Beitrag. Auf den Tischen im Restaurant liegen Kärtchen mit Bibelzitaten. «Wir vom Team sind alles gläubige Christen», erzählt sie. «Aber bei uns sind alle Menschen willkommen, unabhängig, welcher Religion sie angehören.» Sie würden das Christentum vorleben und unter anderem vor dem Frühstück gemeinsam beten. «Wir möchten niemandem etwas aufdrängen – Interessierten zeigen wir aber gerne, was das Christentum ist.»

In der Küche würzt Elisabeth die Salatsauce. Sie selber habe vor zwei Jahren die Hilfe des «Hope» in Anspruch genommen und erzählt, dass es ihr heute wieder gut gehe: «Ich fühle mich hier aufgehoben und treffe Gleichgesinnte, die Ähnliches durchgemacht haben wie ich.» Die Arbeit gefalle ihr: «Hier habe ich das Gefühl, verstanden zu werden.»

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 9 bis 15 Uhr; Menüs werden von 11.30 bis 13.15 Uhr serviert.