Baden
In Teufels Küche: Koch klaute Waren – Wirtin wegen übler Nachrede vor Gericht

Ein abgängiger Küchenchef und eine moralisierende Wirtin beschäftigen einen Einzelrichter.

Rosmarie Mehlin
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Martin war Küchenchef in einem Badener Restaurant. (Symbolbild)

Martin war Küchenchef in einem Badener Restaurant. (Symbolbild)

Kenneth Mars

«Hallo Katja*, wenn du wissen willst, was und vor allem mit wem er (Martin) es hier treibt, kannst du dich gerne bei mir melden. LG Christina». Diese SMS hatte an einem Freitagmorgen im Oktober 2015 eine Frau mit zwei kleinen Kindern in Deutschland erreicht. Beschuldigt der üblen Nachrede sass die Absenderin nun in Baden vor Einzelrichter Lukas Cotti. Christina – schlank, Brille, dunkles Haar, unauffälliger Typ – führt mit ihrem Mann seit rund drei Jahren ein Restaurant. Martin war dort Küchenchef, bis die Wirtsleute ihm im September 2015 fristlos gekündigt haben. «Nachdem ein Gastronomie-Consulter und unser Steuerberater uns mitgeteilt hatten, dass etwas im Betrieb nicht stimme, haben wir festgestellt, dass Martin Waren auf unsere Kosten eingekauft und dann privat verwendet hatte.»

Einfach reinen Tisch machen

Seither läuft ein Verfahren gegen den Küchenchef, der allerdings zu den Vorwürfen bis dato nur rudimentär hat befragt werden können. Denn Martin lebt inzwischen offenbar daheim bei Frau und Kindern in Deutschland. Für ein Auslieferungsbegehren sind die Vorwürfe zu wenig gravierend, aber es besteht, sollte Martin in die Schweiz einreisen, ein Haftbefehl.

Unter diesen Umständen ist es wenig verwunderlich, dass der Koch fehlte, als die Wirtin gestern das Süppchen namens «üble Nachrede» vor Gericht auslöffeln musste. Ein Süppchen, das notabene ihr ehemaliger Küchenchef ihr einbrockte, hatte Martin doch gegen Christina Anzeige wegen übler Nachrede erstattet.

Einzelrichter Cotti interessierte besonders, aus welchem Grund die 56-Jährige besagtes SMS verschickt hatte. Auf die Frage, ob es allenfalls Rache wegen dessen finanzieller Verfehlungen gewesen sei, schüttelte Christina energisch den Kopf: «Ganz sicher nicht. Ich wollte einfach reinen Tisch machen, weil mich Martins Verhalten schon lange genervt hatte. Wenn er jeweils mit seiner Frau telefonierte, die mit den Kindern rund 600 Kilometer entfernt lebt, hat es Schätzchen vorne, Liebste hinten getönt. «Dabei hatte er hier dauernd Frauengeschichten.»

Woher Christina solches denn gewusst habe? «Im Betrieb war es Tagesgespräch.» Martin habe zeitweise «offiziell» ein Verhältnis mit einer Mitarbeiterin gehabt, die fix und fertig gewesen sei, als er es beendet habe. «Auch hat unser Sohn mit eigenen Augen gesehen, dass zeitweise eine Frau bei Martin in dessen zum Restaurant gehörenden Zimmer wohnte.» Warum aber, so Cotti, habe Christina die SMS erst geschrieben, nachdem Martin bereits seit über einen Monat entlassen war? «Es war damals irgendwie so ein Tag, an dem all das in mir hochgekommen ist.»

Zweite Verhandlung

Gegen den Strafbefehl, gemäss dem Christina zu einer bedingten Geldstrafe von 1400 Franken und 200 Franken Busse verknurrt wurde, hatte sie Einspruch gemacht. Vor Gericht ist sie gestern mit einem Anwalt erschienen. Dieser forderte die Befragung von Entlastungszeugen, und Richter Cotti gab dem Antrag statt. So werden zu einer weiteren Verhandlung Christinas Sohn sowie Martins einstiges «offizielles Verhältnis» vorgeladen. Sie sollen bezeugen, dass Martin seiner fernen Gattin tatsächlich Hörner aufgesetzt hat. Kann der Beweis des Ehebruchs vor Gericht glaubhaft erbracht werden, ist der Tatbestand der üblen Nachrede hinfällig.

Man darf auf die Fortsetzung der – mit Verlaub an einen Dreigroschenroman gemahnenden – Geschichte und deren Ende gespannt sein.

*alle Namen geändert