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Die Facebook-Kommentare des Wettinger Musikers Reto Spörli waren nicht ehrverletzend – zumindest nicht im Kontext der Debatte. Das befindet das Bezirksgericht.
In einer heftig geführten Facebook-Debatte mit rund 25 Teilnehmenden hatte der Wettinger Musiker Reto Spörli im Mai 2017 SVP-Nationalrat Andreas Glarner in einer längeren Replik als «dummen Menschen», als «infantilen Dummschwätzer» und als «üblen, verlogenen Profiteur» bezeichnet. Glarner, der sich in der selben Diskussion verbal auf Jonas Fricker eingeschossen hatte, ebenfalls mit deutlichen Worten, klagte wegen diesen drei Äusserungen gegen Spörli wegen übler Nachrede. Die Staatsanwaltschaft stützte die Klage und schickte Spörli einen Strafbefehl. Spörli erhielt eine Busse von 200 Franken, dazu eine bedingte Geldstrafe von 1200 Franken und auch die Strafbefehlgebühr von 900 Franken sollte er bezahlen.
Doch Spörli erhob Einspruch gegen den Strafbefehl. So kam es, dass gestern über den Inhalt der Facebook-Debatte vom Mai 2017 vor dem Bezirksgericht Baden verhandelt werden musste.
Kläger Andreas Glarner hatte sich von der Verhandlung dispensieren lassen, die Anwesenheit der Staatsanwaltschaft war nicht notwendig. So sass einzig der Beschuldigte Reto Spörli, der sich selber verteidigte, vor den Schranken des Gerichts.
Wortreich bestätigte Spörli, dass er diese drei Ausdrücke tatsächlich verwendet habe. Aber sie seien innerhalb einer langen Debatte gefallen und als Reaktionen auf Äusserungen Glarners formuliert gewesen. Glarner selber habe dann Spörlis Äusserungen aus dem Zusammenhang gerissen, im Internet verbreitet und den Medien weitergeleitet.
Zudem habe Glarner in der Diskussion seiner Meinung nach wirklich viel dummes Zeug erzählt. Und das habe er geschrieben. «Ich stehe zu jedem Wort», sagte Spörli. Einzig den «üblen, verlogenen Profiteur» würde er heute etwas relativieren. Denn Glarner habe inzwischen immerhin das Amt des Gemeindeammanns von Oberwil-Lieli abgegeben.
Gerichtspräsident Daniel Peyer fragte, was denn Spörli mit «Profiteur» meine. Glarner profitiere persönlich davon, Nationalrat zu sein, behauptete Spörli, etwa als Unternehmer oder durch den Einsitz in Gremien oder durch seine Beziehungen zu einflussreichen Leuten und den Gerichten.
Deshalb, so Spörli, sei das, was er auf Facebook als Antwort geschrieben habe, keinesfalls üble Nachrede, sondern seine Sicht der Dinge zu Glarners Statements, der ja auch keineswegs zimperlich formuliert habe. Er sehe keinen Grund, warum das Gericht ihn deshalb verurteilen könnte.
Dann wurde Spörli deutlich: «Ich werde einen allfälligen Schuldspruch nicht akzeptieren.» Denn irgendeiner müsse sich ja mal hinstellen und sich gegen die Verunglimpfungen und Tiraden des Herrn Glarner wehren und sagen: «So geht das nicht! Irgendwer muss sich dem doch entgegenstellen.»
Nach kurzer Beratung eröffnete Daniel Peyer das Urteil: Das Bezirksgericht Baden spricht Reto Spörli von Schuld und Strafe frei, die Kosten gehen zulasten der Staatskasse.
Das Gericht war zum Schluss gekommen dass die drei eingeklagten Formulierungen «dummer Mensch», «infantiler Dummschätzer» und «übler, verlogener Profiteur» im Kontext der besagten Facebook-Debatte nicht als ehrverletzend einzustufen seien. Diese Bezeichnungen seien in einem politischen Kontext erfolgt, wo oft mit harten Bandagen gekämpft werde. Es handle sich um deplatzierte Übertreibungen, drastisch und pointiert formuliert, an der Grenze des Zulässigen.
Aber die Grenzen seien nicht überschritten worden. Zumal es sich um einen Diskurs im Internet mit 25 Teilnehmenden gehandelt habe, der sich nach und nach entwickelte und bei dem auch Andreas Glarner ordentlich provoziert habe.
Schliesslich sagte Peyer, es würde zu einer Überbeanspruchung der Justiz führen, wenn alle beleidigenden Facebook-Äusserungen verfolgt werden müssten.
Und er mahnte den Freigesprochenen, er möge sich doch bitte künftig in seinen Posts etwas mässigen. Der Freigesprochene nickte und schien sehr zufrieden. «Das ist doch ein guter Anfang», sagte er beim Verlassen des Gerichtssaals. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann von der Staatsanwaltschaft oder von Andreas Glarner weitergezogen werden.