Vier Parteien, acht Politiker, brisante Themen – das gab genug Zündstoff eine Podiumsdiskussion in Spreitenbach. Diskutiert wurde unter anderem über den Zustand der Schweizer Politkultur.
«Wir lassen das Mikrofon weg – man wird Ueli Giezendanner bestimmt trotzdem hören», sagte Moderator und az-Autor Roman Huber zu Beginn. Er sollte recht behalten. Die acht Politiker traten in zwei Gruppen ans Podium im Zentrumsschopf und lieferten sich teils heftige Wortgefechte.
Huber nahm die Angriffe auf Gemeindeammann Josef Bütler, der am Freitag seinen Rücktritt bekannt gab, zum Anlass, um mit der ersten Gruppe über den Zustand der Schweizer Politkultur zu diskutieren. «Wir Politiker müssen einiges aushalten», sagte Philipp Müller (FDP). «Es ist wichtig, dass das Volk mitredet – aber bitte konstruktiv, und nicht anonym.» Esther Egger (CVP) bestätigte, dass sich der Umgangston in der Politik negativ verändert habe. «Ich selber habe ein dickes Fell, aber meine Familie leidet unter der Kritik.» Ueli Giezendanner (SVP) macht kurzen Prozess mit unliebsamen E-Mails: «Die lösche ich einfach.»
Von der vollen Mailbox leitete Huber das Gespräch auf die volle Bundeskasse. «Wir müssen jetzt investieren», sagte SP-Vizepräsident Cédric Wermuth, «eine Schuldentilgung wäre nur ein Geschenk an die Grossbanken.» Auch Egger hielt nichts davon, «auf Teufel komm raus, Schulden zu tilgen». Ganz anderer Meinung war Müller: «Ich habe Mühe damit, wenn man Überschuss macht und das Geld einfach verteilt, statt die hohen Schulden abzubauen.» Giezendanner hingegen möchte «die Steuern senken, um Unternehmer zu entlasten».
Migration bewegt das Publikum
Nach einer kurzen Pause eröffnete Huber die zweite Diskussionsrunde mit Thierry Burkart (FDP), Kurt Schmid (CVP), Martin Keller (SVP) und Ivica Petrusic (SP). Neben der Verkehrspolitik gab besonders die Migration zu reden – ein Thema, das offenbar auch das Publikum beschäftigte: Immer wieder waren Zwischenrufe zu hören, teils zustimmend, teils aber auch empört.
«Die Drittstaatenzuführung muss und kann besser geregelt werden», sagte Burkart. Die Personenfreizügigkeit sei das kleinere Problem. Schmid gab zu bedenken, dass der grösste Teil der Zuwanderung über die Unternehmen käme. «Genau dort muss man ansetzen», meinte Keller, «wir dürfen nur diejenigen hereinlassen, die wir auch wirklich brauchen – und zwar ohne deren Onkel und Tanten auch noch in die Schweiz zu holen.» Petrusic, von der Thematik persönlich betroffen, sagte: «Es tut weh, wenn ich in Diskussionen immer hören muss, der Familiennachzug sei ein Problem. Wenn wir Leute wollen, die hier etwas leisten, dann sollen sie auch ihre Familien mitnehmen dürfen.» Es bringe nichts, die Zuwanderung als gut oder als böse anzuschauen, meinte Burkart. Man müsse sich viel eher überlegen, wie man sie in den Griff bekommen könnte. «Die Ventilklausel besteht ja bereits, sie muss nur noch angewendet werden», sagte er.
Gesellschaft fällt auseinander
«Das Wichtigste», meinte Petrusic, «ist die Integration. In der Schweiz wird bereits sehr gute Integrationsarbeit geleistet, trotzdem sind nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.» Schmid pflichtete ihm bei und fügte an, Integration müsse keineswegs nur bei Migranten betrieben werden. «Auch Schweizerinnen und Schweizer können zunehmend weniger in eine Gemeinschaft integriert werden. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist nicht mehr da, die Gesellschaft fällt auseinander.» Schmid schlägt deshalb vor, dass jeder – ob Ausländer oder Schweizer – «freiwillig-obligatorische» Integrationsarbeit leisten soll.
Nach rund zweieinhalb Stunden beendete Moderator Huber den offiziellen Teil des Abends – die Diskussionen wurden dann beim Apéro im kleineren Kreis weitergeführt.