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Das ThiK Theater im Kornhaus feiert seinen Saisonauftakt in Baden mit einer unglaublichen, aber wahren Liebesgeschichte: «Sei lieb mit Klärli». Die Autorin selbst fehlte an der Vorstellung. Sie verstarb zwei Wochen vor der Premiere.
Junge Schweizerin verliebt sich in belgischen Piloten, heiratet aber wegen des Standesdünkels ihrer Mama einen erfolgreichen Schweizer Arzt. Sie wird dreifache Mutter. Doch die Ehe entwickelt sich zum Albtraum. Tyrannei, Morphiumsucht, Affären.
Erst nach dem Tod des Gatten kommt das Glück zurück. Dank einer neuen Karriere in New York. Und auch der Pilot taucht wieder auf, der inzwischen in Marokko Topologie-Professor ist. 46 Jahre nach dem ersten Treffen heiraten die zwei in Meknès. Sie haben nie aufgehört, einander zu lieben.
Diese Story ist nicht etwa der vor Kitsch triefende Plot eines Spielfilms, sondern die Lebensgeschichte von Klärli Jung-Locher aus Cham. Ihre Tochter Clairelise Montani hat sie zusammengetragen. In einem Biografiekurs der Kolumnisten Schreiber/Schneider in Bad Zurzach brachte sie nach dem Fund einer Holzschatulle mit Tagebuchnotizen und Fotos zögerlich die ersten Zeilen zu Papier. Daraus entwickelte sich über die Jahre das 631 Seiten starke Buch «Sei lieb mit Klärli».
Cornelia Montani, die Enkelin der Protagonistin und Tochter der Buchautorin, schuf daraus das Theaterprojekt «Klärli und der belgische Pilot», das am Wochenende zum Saisonauftakt des ThiK Theater im Kornhaus Premiere feierte.
Cornelia Montani spürt im Theaterprojekt «Klärli und der belgische Pilot» zusammen mit Joe Fenner und Daniel Schneider erzählend, musizierend und spielend dem Leben ihrer Innerschweizer Grossmutter nach. Das Trio zeigt auf der ThiK-Bühne eine starke Leistung.
Fenner switcht zwischen den Rollen des belgischen Piloten Jean und dem Dorfarzt Dr. Emil Jung gekonnt hin und her. Montani bringt das ganze Gefühlschaos von Klärli mit sparsamer aber wirkungsvoller Mimik und Gestik zum Ausdruck. Als Kulisse dient lediglich eine Tür, die dem Zuschauer verschiedene Welten und Abgründe eröffnet.
Die Tagebuchauszüge und Erzählungen werden mit den Klängen von Akkordeon und Blasinstrumenten verwoben, die auch als Geräuschkulisse dienen. Ein Saxofon gibt das rhythmische Dampfen des Zugs wieder, mit dem Klärli 1932 nach Brüssel reist. Dort tritt sie ihre erste Stelle als Säuglingsschwester an.
Französische Wortfetzen, nur geflüstert, und das Rühren in einer Kaffeetasse bringen das Kopfkino des Publikums zum Laufen. Man sieht das Bistro bildlich vor sich, in dem die junge Frau Pilot Jean kennen lernt und sich sofort in ihn verliebt. Die Intrigen ihrer Mutter sind schuld daran, dass sie trotzdem den smarten Dorfarzt Emil Jung heiratet.
Es sei, so Clairelise Montani, «eine Ehe mit viel Licht und Schatten» gewesen. Denn Emil war manisch-depressiv, drogen- und streitsüchtig und wurde zuletzt handgreiflich. Später habe man an der Innentüre seines Schrankes einen Zettel gefunden, auf dem er für sich als Memo mit rotem Stift notiert habe: «Sei lieb zu Klärli». So entstand der Titel des Buches.
Autorin Clairelise Montani freute sich sehr auf die Bühnenversion von ihrer schauspielernden Tochter Cornelia. Doch sie fehlte an der Vorstellung im ThiK. Zwei Wochen vor der Premiere verstarb sie im Alter von 84 Jahren.