Der Bluus Club startet im «Nordportal» mit einem Konzert von Othella Dallas, der Grand Old Lady des Blues und Jazz, in die neue Saison.
Langsam kraxelt Othella Dallas die schmalen Treppen hoch, die auf die Bühne des «Nordportal» in Baden führen. Doch sobald sie vor dem Publikum steht, strafft sich ihr graziler Körper im roten Paillettenkleid, das sie im ersten Teil ihrer Show trägt. Und sie fackelt nicht lange.
«Let the good times roll» röhrt sie mit ihrer tiefen, kehligen Stimme ins Mikrofon und gibt damit gleich das Motto des Abends durch: «Mach Dir eine gute Zeit, wer weiss was morgen ist». Mit Bassist Michael Chylewski, Gitarrist Ueli Gasser, Schlagzeuger Lukas Gasser und Keyboarder Peter Wagner hat sie vier kongeniale Musiker an ihrer Seite, die zwar musikalisch brillieren, der Grand Dame des Blues und Jazz aber niemals die Show stehlen.
Die Frau strotzt nur so vor Lebensenergie. Immer wieder erzählt sie während des Auftritts Episoden aus ihrer Gesangskarriere, die in den frühen 50er-Jahren in Paris begann. Einmal wollte sie mit Nat King Cole auf der Bühne spontan einen Song zum Besten geben und fragte ihn: «Kennst Du ‹Route 66›?» Und der antwortete: «Den kenn ich nicht nur, den hab ich selber herausgebracht.» Auch die Jazznummer «Three Shows Nightly» kommt zu Gehör. Duke Ellington hat sie speziell für Othella Dallas geschrieben.
Dass die quirlige Sängerin am Konzertabend im Nordportal ihren 94. Geburtstag feiert, ist kaum zu glauben. Bluus Club-Präsidentin Susanne Slavicek bringt einen Geburtstagskuchen von Chocolatier Fabian Rimann auf die Bühne. Der ganze Saal sind «Happy Birthday» und Dallas beginnt vor Rührung zu weinen.
Obwohl das Alter Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen hat, wirkt sie bisweilen wie ein junges Mädchen. «Common you nasty boys, hit me», flirtet der Star des Abends ihre Musiker vor dem nächsten Stück an. Die sind fast alle ein halbes Jahrhundert jünger als sie.
Othella Dallas, die 2019 mit dem Swiss Jazz Award ausgezeichnet wurde, ist ein Phänomen. 1925 in Memphis geboren, beginnt sie bereits mit fünf Jahren zu tanzen. Sie wächst in einem Frauenhaushalt auf. Ihre Mutter arbeitet als Pianistin in Nightclubs und ist die Haupternährerin der bitterarmen Familie.
Die kleine Othella leidet an Rachitis. Ein Voodoo-Priester verspricht Heilung, wenn sie nach dem Abwasch jeweils im fettigen Spülwasser steht, ihre krummen Beine massiert und dazu eine Beschwörungsformel murmelt. Diese und andere unglaubliche Geschichten aus ihrem Leben erzählt sie im Dok-Film «Othella Dallas - What is luck??».
Mit 18 wird sie von der legendären Choreografin Katherine Dunham entdeckt und bekommt ein Stipendium. Für die junge Südstaatlerin bedeutet das die Erfüllung eines Traums. Dallas macht Karriere als Tänzerin und tourt durch die Welt.
Dann verliebt sie sich in einen Schweizer und folgt ihm 1960 in seine Heimat. Er managt später auch ihre zweite Karriere als Sängerin. 1975 gründet Dallas in Basel ihre eigene Tanzschule, die bis heute existiert. Ihr Mann ist verstorben, und sie wohnt mittlerweile in Binningen. Sohn Peter Wydler ist Singer/Songwriter und schreibt auch Lieder für seine berühmte Mutter.
Im Nordportal kommen jedoch nur Coverversionen zu Gehör. Dallas hat sich für Songs entschieden, die sich in sämtlichen Gehörgängen eingenistet haben und tief aus der menschlichen Seele kommen. Ray Charles' «Georgia on my Mind» beispielsweise oder «Fever».
Als Zugabe wählt sie «Happy Day» und das ganze Publikum singt im Chor mit. Natürlich gibt es Standing Ovations für «la Dallas». «Hey, ich kann’s immer noch!», meint diese kokett und fügt hinzu: «Wir sehen uns an meiner nächsten Show». Aufhören kommt für die Grand Old Lady des Blues und Jazz noch lange nicht in Frage.
Morgan Davis, spielt am 31. Oktober 2019, 20 Uhr, im Fjord (Nordportal).