In seiner Kolumne schreibt Patrick Hersiczky über den Stellenwert guten Kaffees im Lehrerzimmer und das Ausmass, das Verwaltung im Schulwesen annehmen kann. Während seine alte Schule in Bürokratie über das Für und Wider einer Nespresso-Maschine versank, stand im Lehrerzimmer seiner neuen Schule bereits eine.
Eigentlich habe ich nicht wegen der Kaffeemaschine gekündigt. Aber in meiner neuen Schule, in der ich nach den Sommerferien unterrichten werde, gibt es eine Nespresso-Maschine. Und zwar eine Gemini 200 mit Doppelkopf für die gleichzeitige Zubereitung zweier Kaffees. Klar, das habe ich gegoogelt. Aber man soll sich bekanntlich über seinen neuen Arbeitgeber informieren. Als ich jedenfalls nach meinem Vorstellungsgespräch diese Kaffeemaschine zum ersten Mal sah, wusste ich: Nicht nur das Lehrerteam und der Schulleiter machten einen sehr guten Eindruck auf mich. Nein, erst diese Gemini 200 (zwei Wassertanks mit Entkalkungs-Alarm!) hatte das Jobpaket perfekt gemacht und intensiv abgerundet.
Doch der Reihe nach: Kaffee und Lehrer (ja, Frauen stehen mehr auf Tee) gehören bekanntlich zusammen wie Koks und Investmentbanker. Ohne das heisse Schwarze am Morgen kann es kein guter Schultag werden. So ist es nicht verwunderlich, dass man in meiner ehemaligen Schule die Neuanschaffung einer Kaffeemaschine zur Chefsache erklärt hat. Bisher hatten wir im Lehrerzimmer einen Vollautomaten mit Bohnen. Leider hat diese Maschine nie den Kaffee gemahlen, den uns Roger Federer in der Werbung jeweils vorgaukelt. Nein, der Kaffee war dermassen bitter, dass wir Lehrer oft etwas griesgrämig vor unsere Klassen getreten waren.
Bevor die Schulbehörde aber den Kaffeenotstand ausrufen musste, sollte eine neue Maschine her – und zwar subito. Die Schulpflege hat aussergewöhnlich schnell den Auftrag erteilt, dass die Schulverwaltung Offerten für eine neue Maschine einholen sollte. Diese Aufgabe hat Verwaltung, Behörde und Schulleitung dermassen absorbiert, dass wir Lehrer für einen kurzen Moment weniger Bürokratie ertragen mussten und uns endlich wieder aufs Unterrichten konzentrieren konnten.
Nach einigen Tagen ungestörten Unterrichtens (junge Kollegen hatten damit Mühe, weil dies eine völlig neue Berufserfahrung war) stattete uns eine adrette Dame von Nespresso einen Besuch ab. Sie präsentierte uns die edlen und dünnen Kaffeepads, die klingende Namen hatten, als wären sie einer italienischen Arie entnommen: Finezzo Lungo oder Alto Dolce. Ich wollte schon irrtümlich zum Lungo Decaffeinato greifen, doch die Vertreterin wusste: Nach bald 20-jähriger Tätigkeit als Bildungsapparatschik ist ein koffeinfreier Kaffee wie Bier statt Wodka: Man braucht deutlich mehr davon, um so richtig vergessen zu können. Die Vertreterin reichte mir schliesslich ein pechschwarzes Kaffeepad (Intensität 12, mehr geht nicht). Dieser Kaffeeflash hat mich wohl letztlich übermütig zu dieser Kolumne bewogen. Im Kaffeerausch macht man bekanntlich Dinge, die man später bereuen könnte.
Sie fragen sich nun sicher, ob diese Kaffeestory ein Happy End hatte oder den Leser verstört und alleine zurücklässt. Nun, Sie ahnen: Es muss Letzteres sein. Vor den Sommerferien habe ich noch eine Mail bekommen, in der man sich zur Frage «bin ich bereit, für meinen feinen Kaffee selber zu zahlen» äussern konnte. Lehrer wären aber nicht Lehrer, wenn sie sich nicht noch über die ausbeuterischen Geschäftssünden von Nestlé beschwert hätten. Und dies ist zwar eine Vermutung, wäre aber durchaus möglich: Vielleicht hat man noch darüber diskutiert, ob man für jedes Kaffeepad einen Klimarappen einführen möchte. Ja, so sind wir Lehrer eben: alles immer ausdiskutieren und nebenbei noch schnell die Welt retten.