Freienwil
Kampfwahl in «Bullerbü»: Das Podium zur Gemeinderatswahl bot Zündstoff

Die Gemeinde Freienwil wählt am 8. April zwei neue Ratsmitglieder. Im Theatersaal des «Weissen Winds» stellten sich die Kandidatinnen und Kandidaten den Fragen des Publikums.

Andreas Fahrländer
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Die Kandidaten auf der Bühne im «Weissen Wind»: Lucius Mathys, Johanna Radecke, Urs Rey und Sylvia Hofer (v.l.). Alex Spichale

Die Kandidaten auf der Bühne im «Weissen Wind»: Lucius Mathys, Johanna Radecke, Urs Rey und Sylvia Hofer (v.l.). Alex Spichale

Alex Spichale

Wie soll sich Freienwil weiterentwickeln? Braucht das Dorf wirklich eine Handyantenne oder eher neue Fussgängerstreifen? Und wird Freienwil in ein paar Jahren ein Quartier der Stadt Baden sein?

Im frisch renovierten Theatersaal des «Weissen Winds» stellten sich am Dienstagabend die Kandidatinnen und Kandidaten für die Ersatzwahl in den Gemeinderat dem Publikum. Nach einem Doppelrücktritt im Januar wählt die Gemeinde am 8. April zwei neue Ratsmitglieder.

Vier Parteilose haben sich zur Wahl gestellt: Sylvia Hofer, Johanna Radecke, Urs Rey und Lucius Mathys. Gegen 120 Bürgerinnen und Bürger kamen ins Gasthaus. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt, viele mussten stehen.

Alt Gemeindeammann Hanspeter Geissmann begrüsste die Gäste im Namen des Einwohnervereins mit den Worten: «Wir haben alles an Stühlen und Bänken hervorgeholt, was möglich war. Mehr gibt es nicht.» Und Kandidat Urs Rey, als Präsident der Genossenschaft Weisser Wind gleichsam auch Hausherr, schaltete vorsichtshalber die Lüftung ein, damit die Luft nicht allzu dick werde.

Vier Kandidaten, zwei Sitze

Moderator Martin Rupf, Ressortleiter des Badener Tagblatts, liess die vier Kandidaten sich zuerst kurz selbst vorstellen: Lucius Mathys (25) sagte, er wohne seit 20 Jahren in Freienwil, sei gut vernetzt in Feuerwehr und Vereinen und habe als Jus-Student täglich einen guten Einblick ins Staatsrecht. Auf die Frage, ob er nicht zu jung für das Amt wäre, sagte Mathys, er lerne gern dazu und sei in vielen Dingen unvoreingenommen. Das könne auch ein Vorteil sein.

Johanna Radecke (35) ist ehemalige Polizistin, Pferdetrainerin, Mutter von zwei Kindern und arbeitet in einem Teilzeitpensum in der Kita in Freienwil. Sie wohnt seit 2012 in Freienwil, ihr liege das Dorf nicht zuletzt als Heimat ihrer Kinder sehr am Herzen.

Sie wünschte sich, dass Freienwil so bleibe, wie es ist. Aber es sei ihr klar, dass das nicht möglich sei. Als gelernte Polizistin habe sie oft gesehen, dass mit viel Engagement viel bewirkt werden könne.

Urs Rey (57) ist Historiker und arbeitet als wissenschatlicher Mitarbeiter für Bau und Wohnen beim Statistischen Amt der Stadt Zürich. Rey wohnt seit 25 Jahren mit seiner Familie im Dorf. 1997 hat er die Ortsgeschichte von Freienwil geschrieben. Seither habe er das Gefühl, Freienwil sei etwas Besonderes, für das es sich zu kämpfen lohne.

Sylvia Hofer (64) wohnt seit 39 Jahren in Freienwil. Sie ist ursprünglich Arztgehilfin, hat 26 Jahre bei einer Krankenkasse gearbeitet und war während 15 Jahren Betreibungsbeamtin in Freienwil.

Sie habe einen prall gefüllten Rucksack an Lebenserfahrung und habe sich schon immer für die lokale Politik interessiert. Jetzt habe sie als Pensionierte Lust und auch die nötige Zeit, um sich für die Gemeinde zu engagieren.

Martin Rupf fragte die Kandidaten, wie sie sich die weitere Entwicklung des Dorfes vorstellen. Sylvia Hofer sagte, sie wünsche sich ein moderates Wachstum. Sie hoffe, dass man nicht plötzlich von neuen Einwohnern «überflutet» werde, wie das auch schon geschehen sei, und dass der schöne Lebensraum erhalten bleibe.

Urs Rey konterte, eine Gefahr von zu viel Wachstum sehe er nicht, da Freienwil in absehbarer Zeit gar kein neues Bauland einzonen könne. Wenn, dann müsse man nach innen verdichten. Mathys sagte, eine Zersiedelung wie die Nachbargemeinde Ehrendingen mit ihren Neubaublöcken würde Freienwil nicht vertragen. Man müsse achtgeben auf das fragile Ortsbild.

«Ein Hort der Sicherheit»

Johanna Radecke sagte, sie fühle sich in Freienwil an einem einzigartigen Hort der Sicherheit – «wie in einem Bullerbü». Angesprochen auf die umstrittenen Pläne für eine Handyantenne im Dorf, warnte Radecke, «etwas überspitzt gesagt», vor einem «Horror-Szenario Asylunterkunft und Antenne am Dorfeingang».

Die Kandidaten waren sich einig, dass es zwar eine Mobilfunkantenne und eine Asylunterkunft brauche, aber an den geplanten Standorten gab es erhebliche Zweifel. Angesprochen auf Dissonanzen zwischen der IG Freienwil Transparent, der Genossenschaft Weisser Wind und dem Gemeinderat, gingen die Meinungen auseinander.

Während Hofer und Radecke nur lobende Worte für Gemeindeammann Robert Müller (SVP) fanden, nannte Rey diesen ein «junges Rössli mit vielen Ideen, das immer wieder einmal durchbrennen möchte». Müller, der im Saal sass, nahm es sportlich.

In der Publikumsrunde gab die Verkehrssicherheit viel zu reden. Bevor der Abend bei Brot und Wein ausklang, fragte eine Zuhörerin, was sich die Kandidaten für einen Slogan für Freienwil wünschen, statt des bestehenden «Wohnen und erholen».

Mathys sagte, er hätte lieber «Wohnen und leben». Radecke fand, «erholen» klinge zu sehr nach Kurort. Sie wünsche sich «Miteinander und füreinander». Rey sagte, er würde im Moment nichts ändern. Und Hofer schlug ein versöhnliches «Gemeinsam besser» vor.