Gebenstorf
Kanton greift durch: Gemeinde muss Islam-Zentrum bewilligen

Die Aargauer Regierung stösst einen Entscheid des Gebenstorfer Gemeinderats um. Dieser müsse die Umnutzung eines Restaurant in ein muslimisches Vereinslokal bewilligen – genau dagegen hatte er sich gesträubt. Aufgeben will der Gemeinderat aber nicht.

Pirmin Kramer
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Das ehemalige Restaurant soll in ein muslimisches Vereinslokal umgenutzt werden – mit einem Andachtsraum für rund 70 Personen.

Das ehemalige Restaurant soll in ein muslimisches Vereinslokal umgenutzt werden – mit einem Andachtsraum für rund 70 Personen.

Nadja Rohner/Sandra Ardizzone

Die islamisch-albanische Gemeinschaft betreibt in Kirchdorf ein Vereinslokal. Letztes Jahr wurde sie auf der Suche nach einem grösseren Gebäude fündig und stellte das Gesuch, das Restaurant an der Landstrasse in Gebenstorf umnutzen zu dürfen: Entstehen sollen dort ein Andachtsraum für rund 70 Personen, ein Aufenthaltsraum für rund 30 Personen, Schulungsräume und Büros.

Gegen das Baugesuch gingen diverse Sammeleinwendungen von Anwohnern ein, und der Gemeinderat wies das Baugesuch vor genau einem Jahr ab. Mannigfaltige Gründe hätten zum ablehnenden Entscheid geführt – auch politische Gründe, erklärte damals der Gebenstorfer Gemeindeschreiber.

«Ein Fremdkörper»

Der Gemeinderat führte im Entscheid aus: «Eine Umnutzung in ein religiöses Glaubenszentrum wäre mit den örtlichen Gegebenheiten nicht zu vereinbaren.» Die Zonenbestimmungen würden die Umnutzung in ein islamisch-albanisches Vereinszentrum zwar nicht ausdrücklich verbieten, doch das Bauvorhaben und die Nutzung stellten einen Fremdkörper in einem ländlich besiedelten Gebiet dar.

«Der grösste Teil der Anwohner wehrt sich zu Recht gegen die Ansiedlung dieses Vereins und gegen die geplante Nutzung, nicht zuletzt auch aus dem einfachen Grund, dass die naheliegenden Wohnliegenschaften eine deutliche materielle Entwertung dadurch erfahren», begründete der Gemeinderat.

Die Anwohner argumentierten ausserdem, dass für die neue Nutzung nicht genügend Parkfelder zur Verfügung stehen würden und unsicher sei, mit welchen Immissionen vom Vereinslokal zu rechnen sei.

Gegen den gemeinderätlichen Entscheid wehrte sich die islamisch-albanische Gesellschaft mit einer Beschwerde beim Regierungsrat. Sie forderte, der Beschluss der Gemeinde sei aufzuheben, eine entsprechende Bewilligung zu erteilen, allenfalls mit Auflagen.

Beschwerde gutgeheissen

Dieser Zeitung liegt der Regierungsratsbeschluss vor: Er hat die Beschwerde gutgeheissen. «Die Angelegenheit ist an den Gemeinderat zurückzuweisen, damit er die Baubewilligung erteilt, unter den üblichen kommunalen Auflagen und unter Berücksichtigung der kantonalen Brandschutzbewilligung und der Lärmbeurteilung der Parkierungsanlage.»

Eine Auseinandersetzung mit den Zonenvorschriften habe nicht im Ansatz stattgefunden, bemängelt der Regierungsrat. Der Gemeinderat habe sich von sachfremden Motiven leiten lassen, indem er etwa argumentierte, Bauvorhaben und Nutzung stellten einen Fremdkörper in einem ländlich besiedelten Gebiet dar.

Mit dieser Begründung habe der Gemeinderat «den Anspruch der Beschwerdeführerin auf gesetzeskonforme Behandlung und diskriminierungsfreie Beurteilung des Baugesuchs verletzt». Zudem sei die Umnutzung zonenkonform, es seien genügend Parkfelder vorhanden, und der abgeschätzte Alltagslärm führe zu keinen erheblichen Störungen der Nachbarschaft. Die islamisch-albanische Gemeinschaft habe «vollständig obsiegt», so der Regierungsrat.

Ängste vor anderen Religionen könne er zwar zu einem gewissen Grade nachvollziehen, sagte Markus Leimbacher, Anwalt der islamisch-albanischen Gemeinschaft, letzten Dezember. «Aber aus unserer Sicht wäre mehr Toleranz natürlich ein grosser Wunsch.»

Zum positiven Entscheid sagt er nun: «Ich habe mit diesem Ausgang des Verfahrens gerechnet, da die Rechtslage klar und eindeutig ist. Und trotzdem gibt es immer ein Restrisiko. Ich bin sehr froh, dass der Entscheid so ausgefallen ist.»

Überregionales Vereinslokal?

Gemeindeammann Rolf Senn: «Wir haben an der Gemeinderatssitzung entschieden, dass wir den Beschluss des Regierungsrates anfechten und an das kantonale Verwaltungsgericht weiterziehen werden. Wir befürchten, dass es nicht nur ein regionales, sondern ein überregionales muslimisches Vereinslokal geben soll. Wir gehen davon aus, dass es zu wenige Parkplätze gibt und Lärmimmissionen zu gross sein werden.»

Zur Aussage des Regierungsrates, der Gemeinderat habe das Gesuch der Beschwerdeführer «nicht ohne Anschein eines diskriminierenden Verhaltens behandelt», sagt Senn: «Das ist die Meinung des Regierungsrates. Wir sind einfach der Ansicht, dass ein solches Vereinslokal nicht an diese Wohnlage passt.»

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