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Die Überlebenschancen von Limmat-Forellen sollen sich steigern. Da jedes Gewässer eigene Temperaturen und Nährstoffe hat, müssen die jährlichen Aussetzungen von 6000 Forellen gezielter erfolgen. Mit einem Zürcher Labor sollen dafür Gentests erfolgen.
Bis zu 6000 neue Forellen tummeln sich jedes Jahr in der Limmat. Sie werden vom Kanton und von Fischern ausgesetzt. «Würden wir das nicht machen, hätte es in der Limmat keine Forellen mehr», sagt Heinz Höppli. Er ist einer der vier kantonalen Fischereiaufseher und zuständig für die Region Nordost.
Offiziell fischt er seit 1955. Er hat eine grosse Entwicklung mitgemacht: Der Aufwand, einen Fisch zu fangen ist gestiegen, die Erträge sinken stetig.
Am meisten Sorgen macht Höppli, dass den Fischen die gesunde Altersstruktur fehlt. Fortpflanzungsfähige Forellen sind zum Beispiel Mangelware. «Eine dreijährige Forelle kann über 1000 Eier legen. Die meisten Fische erreichen dieses Alter nicht», sagt Heinz Höppli.
Seit 1997 müssen die Fischer eine Fangstatistik führen. Darum wissen die Fischer, dass der Ertrag laufend abnimmt.
Zahlen des Fischervereins Turgi-Siggenthal zeigen: 1981 wurden auf dem vereinseigenen Limmatabschnitt noch knapp 1300 Forellen gefangen. Heute sind es nur noch 100. Die Erträge nehmen im ganzen Aargauer Teil der Limmat ab (siehe Grafik).
1500 Fische kommen ins Labor
In Zusammenarbeit mit dem Zürcher Labor Eawag untersucht der Kanton die Gene von 1500 Forellen, die in grossen und kleinen Aargauer Gewässern gefangen wurden. «Forellen bleiben meistens im gleichen Gewässer, sie sind sehr territoriale Fische», sagt David Bittner, kantonaler Bereichsleiter Fischerei. Er sagt: «Wenn wir wissen, in welchem Gewässer welche lokalen Genanpassungen vorhanden sind, ist eine Bewirtschaftung erfolgreich.»
Das heisst: Fische können bald gezielt in jene Gewässer eingesetzt werden, zu denen ihre Gene passen. Jedes Gewässer habe nämlich einen eigenen Charakter, das heisst: eigene Temperaturen oder Nährstoffbedingungen.
Die vielfältigen Ursachen des Fischsterbens kann der Gentest aber nicht beseitigen. «In der Limmat fehlen die natürlichen Bedingungen», sagt Heinz Höppli. Früher schob die Limmat tonnenweise Kies durch ihren Flusslauf – Kies, das die Forellen als Laichplatz benötigen. Heute halten die Kraftwerke das meiste Kies zurück. Die Laichplätze werden immer rarer, weshalb sie nun kartografiert und unter Schutz gestellt werden.
So verlangt es das 2013 revidierte Fischereigesetz. Ein weiteres Problem ist der Wasserstand der Limmat: Die Kraftwerke lassen ihn schnell ansteigen und absinken. Das schmälert die Überlebenschancen der Fische.
Sie fressen vorwiegend Fliegenlarven und Bachflohkrebse. Diese sogenannten Nährtiere können wie die Forelleneier nur im dauernd benetzten Gewässerteil überleben. Zudem nutzen nicht nur Forellen für ihre Eiablage Kiesbänke in weniger tiefen Abschnitten des Gewässers. So seien schon die Eier durch starke Pegeländerungen bedroht. «Bis sie schlüpfen, sind die empfindlichen Eier bei einer Durchschnittstemperatur von sieben Grad zwei Monate den Gefahren durch die Wasserstandsänderungen ausgesetzt.
Ein einziges Extrem-Ereignis genügt, um die ganze Brut zu vernichten – zum Beispiel, wenn die Eier eine Stunde im Trockenen liegen», so Höppli. «Anstelle von freifliessenden Flüssen haben wir eine Reihe von Stauhaltungen», stellt auch David Bittner fest. «Heute erhalten wir die Quittung für vieles, an das man früher schlicht nicht dachte», so Bittner. Zwar halten die Kraftwerke eine Mindestdurchflussmenge ein – gegen die Schwankungen des Wasserstands hilft das aber nichts.
Auch Kormoran und Gänsesäger sind eine Gefahr für die Fische. «In den 70er-Jahren kamen diese Vögel zum ersten Mal übers Winterhalbjahr in die Schweiz. Seit den 90er-Jahren leben sie das ganze Jahr hier», sagt Heinz Höppli über den ungeliebten Gast aus dem Norden, dem nur die älteren Fische entkommen können.
«Würden diese Vögel Kartoffeln statt Fische fressen, würden sie wahrscheinlich schon längstens gejagt und auf ein erträgliches Mass reduziert werden. Wenn Wildschweine Schäden anrichten, sieht das jedermann. Bei den Fischbeständen merken es nur aktive Fischer», so Höppli.