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Das Bild, das einer Turgemer Familie gehört, stamme entgegen Expertenaussagen kaum von Leonardo da Vinci. Sogar ein Kunststudent würde dies erkennen, meint ein Kunsthistoriker.
Vor gut einem Monat brachte eine Meldung der italienischen Zeitung «Corriere della Sera» die Gemeinde Turgi weltweit in die Schlagzeilen: Eine Turgemer Familie habe in einem Schweizer Banksafe ein Bild gelagert, das Leonardo da Vinci gemalt haben soll, hiess es im Zeitungsbericht.
Im Bericht wurde Professor Carlo Pedretti zitiert: Dieser hatte das Werk untersucht – es handelt sich um ein Porträt der adligen Isabella d’Este – und er liess verlauten, er erkenne sofort die Hand des toskanischen Universalgenies.
Bei einer Versteigerung in New York kam es zu einem Rekord-Verkauf: Für den Rekord-Preis von 142,4 Millionen Dollar ist das Triptychon "Three Studies of Lucian Freud" von Francis Bacon in New York versteigert worden. Damit ist das 1969 entstandene Werk das teuerste je versteigerte Kunstwerk.
Das Auktionshaus Christie's hatte auf etwa 90 Millionen Dollar gehofft - bereits das wäre ein Auktionsrekord für den Iren Bacon gewesen. Mit dem am Dienstag erzielten Preis liegt das Triptychon aber sogar gut 22 Millionen Dollar über dem vor eineinhalb Jahren versteigerten "Schrei" von Edvard Munch, der bislang das teuerste je versteigerte Bild war. (sda)
«Fast immer aus der Schweiz»
Nun äussert ein deutscher Kunstgeschichtsprofessor grosse Zweifel an der These, der Meister habe das Porträt Isabella d’Estes tatsächlich selber gemalt.
«Sensationelle Neuzuschreibungen kommen fast immer aus der Schweiz», schrieb Frank Zöllner, der an der Universität Leipzig lehrt, gestern in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».
Dass das Werk aus dem Schweizer Banktresor kein authentisches Leonardo-Gemälde sein kann, «dürfte sogar ein Student der Kunstgeschichte im Grundstudium erkennen», so Zöllner.
Untypische Ergänzungen
Bisher sei man davon ausgegangen, dass der Künstler den Bitten der adligen Auftraggeberin, sie zu malen, nicht nachgekommen war, schreibt Zöllner.
Das aus dem Schweizer Tresor stammende Werk gehe zwar zweifellos auf eine Porträtzeichnung da Vincis zurück – die ungefähr im Jahr 1500 entstandene Skizze wird heute im Louvre aufbewahrt.
Das Werk unterscheide sich von der Skizze aber durch die Ergänzung zweier Attribute: einer Krone und eines Palmzweiges.
«Diese Ergänzungen sind ganz und gar untypisch für Leonardo, der in seinen Werken nach Möglichkeit ohne Attribute auszukommen versuchte und stattdessen auf autonome Bildmittel setzte», analysiert Kunsthistoriker Zöllner.
Leonardo da Vinci habe zu Lebzeiten oft als Ideengeber gewirkt, während Künstler aus seiner Werkstatt und unter seiner Aufsicht Kleinserien seiner Kompositionen schufen.
Das Werk, das nun im Besitz einer Turgemer Familie ist, gehöre wahrscheinlich in diesen Zusammenhang.
Zöllner kritisiert Kunstwissenschafter, die mit fadenscheinigen Gutachten Geld verdienen wollten:
Ausgewählte Experten würden der Reihe nach um eine Meinung zu einem Werkstattgemälde gebeten, ehe sich einer zu einer Expertise durchringen könne, wofür zunächst ein bescheidenes Honorar im dreistelligen Bereich fliesse.
Ein zweites, höheres Honorar werde schliesslich ausbezahlt, wenn das Werk als authentisches Altmeistergemälde verkauft werde, erklärt der renommierte Kunsthistoriker Zöllner. So lasse sich die Inflation von zumeist absurden Zuschreibungen erklären.