Bis zum 9. Dezember kann man auf dem Unteren Bahnhofplatz noch Kerzen ziehen. Das ist nicht selbstverständlich: Im Frühjahr drohte dem beliebten Brauch das Aus.
Mit einem Docht in der Hand laufen Maria Stella und Alina aus dem Kerzenhaus auf dem Unteren Bahnhofplatz in Baden. Die beiden Fünftklässlerinnen drehen eine Runde um den Baum, der zwischen der Confiserie Himmel und dem Nähgeschäft Kunze steht, und gehen wieder hinein. Einmal drin tauchen sie den Docht in flüssiges Wachs. «Es macht uns viel Spass», sagen die Schülerinnen, ehe sie wieder nach draussen gehen und das Wachs abkühlen.
Barbara Baur, die am Topf nebenan steht, findet das Kerzenziehen entspannend. «Das ist meine Meditation während der Weihnachtszeit», sagt die Badenerin, die das Kerzenhaus seit Jahren regelmässig besucht, mit einem Lächeln. Kerzenziehen sei eine schöne Tradition und soll noch lange weiterleben.
«Kerzenziehen braucht zwar Fleiss und Geduld. Aber es bereitet vielen Freude», sagt Beni Leutenegger, Präsident des Vereins Kerzenziehen Baden. Eine Tonne Wachs steht für Kinder und Erwachsene zum Verarbeiten bereit. Leutenegger ist glücklich, kann der Anlass durchgeführt werden: Im Frühjahr drohte wegen fehlender Mitglieder noch das Aus (die AZ berichtete). «In der Zwischenzeit konnten wir rund 20 neue Freiwillige gewinnen.» Nichtsdestotrotz sei der Verein weiterhin auf der Suche, sei man doch für die Durchführung auf rund 150 Freiwillige angewiesen. Zu diesen gehören Snezana und Ulrich Grunauer. Sie helfen zum ersten Mal im Kerzenhaus mit. Das Ehepaar möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben. «Weil es beim Kerzenziehen um den guten Zweck geht. Das ist wunderbar», sagt Snezana Grunauer.
Das Kerzenziehen gibt es seit über 40 Jahren. Bis heute konnte der Verein fast zwei Millionen Franken erwirtschaften – rund 40 000 Franken pro Jahr. Mit dem Erlös werden Institutionen für Menschen mit Behinderung in der Region unterstützt, etwa die Arwo, Insieme und die Zentren Körperbehinderten Aargau Zeka. Erst vor kurzem konnte der Verein dem Zeka eine Spende von 100 000 Franken überreichen. «Die Wohltätigkeit ist denn auch ein Grund, weshalb Erwachsene den Brauch leben», sagt Leutenegger, der den Verein seit 15 Jahren präsidiert. «Bei Kindern und Jugendlichen steht hingegen der Spass im Vordergrund.»
Auf die Frage, warum das Kerzenziehen nur zwei Wochen dauert und bereits am 9. Dezember endet, antwortet Leutenegger: «Würden wir bis kurz vor Weihnachten Kerzenziehen, hätte man kaum mehr Gelegenheit, die Kerzen anzuzünden.» Denn diese würden sich vor allem im Advent an grosser Beliebtheit erfreuen. Zudem brauche es Zeit, das Kerzenhaus mit dem Material abzubauen, und die Helfer möchten die Weihnachtszeit auch geniessen. Nicht zuletzt werde in der Region mittlerweile an vielen Orten Kerzenziehen angeboten. «Zwei Wochen sind deshalb ideal, damit wir den Anlass erfolgreich durchführen können», sagt Leutenegger.