Gosha Zaranskas Garage in Killwangen dient seit knapp einem Jahr als Umschlag- und Sammelplatz für Hilfsgüter. Im Kindergarten Zelgmatt hat die 46-Jährige eine Abgabestelle für ukrainische Flüchtlinge eingerichtet. Für sie ist die Wohltätigkeit eine Selbsthilfe.
Bananenschachteln, Tüten und Boxen stapeln sich fast bis zur Decke. Ein Dutzend Krücken, Stofftiere, Koffer, Kerzenwachs und ein Rollstuhl sind ebenfalls in der Garage verstaut. «Und jedes Mal, wenn ich das Haus verlasse, stehen wieder neue Dinge vor der Eingangstüre», sagt Gosha Zaranska und lacht.
Seit bald einem Jahr sammelt die 46-Jährige auf ihrem Garagenplatz an der Rütihaldenstrasse 32 in Killwangen Hilfsgüter für die Menschen in der Ukraine und ukrainische Geflüchtete in der Schweiz. Private, Kirchen und Organisationen fahren regelmässig vor und geben Kleider, Medikamente, Lebensmittel, Bettdecken, elektronische Geräte oder Babywindeln ab.
Gerade steht ein kleiner Transporter vor der Einfahrt. «Wir laden die Ware ein und bringen sie in den Free Shop im Kindergarten Zelgmatt, damit mein Auto wieder in der Garage Platz hat», erzählt Zaranska. Seit Anfang April letzten Jahres betreibt sie dort eine Abgabestelle für Ukrainer, die in der Schweiz ein temporäres Zuhause gefunden haben. «Da aktuell keine Kinder im Kindergarten unterrichtet werden, stellt uns die Gemeinde Killwangen den Raum zur Verfügung.» Spenden werden am Montag von 16 bis 19 und am Samstag von 10 bis 13 Uhr angenommen.
Das Angebot wird rege genutzt. «Am ersten Tag besuchten uns fast 300 Ukrainerinnen und Ukrainer. Einige warteten bereits morgens um 6 Uhr vor dem Shop, obwohl wir erst um 13 Uhr aufmachten», erinnert sich Zaranska. Gewisse hätten einen weiten Weg auf sich genommen. «Eine Frau reiste etwa aus dem 200 Kilometer entfernten Disentis an, eine andere kam extra aus dem Tessin, um einen Ventilator abzuholen, den sie im Sommer dringend benötigte, weil es in der Attikawohnung, in der sie untergebracht war, so heiss wurde.»
Mittlerweile erscheinen noch insgesamt 100 bis 120 Flüchtlinge am Abgabetag am Samstag von 14 bis 18 Uhr. «Es ist etwas weniger geworden, seitdem die ukrainischen Geflüchteten nicht mehr gratis mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können», sagt Zaranska.
Unterstützt wird ihr Mini-Hilfswerk von rund 20 Personen. Dazu gehören Freunde und zehn geflüchtete ukrainische Volontäre. «Die Arbeit lenkt sie ab und gibt ihnen Halt. Zudem können sie sich so mit anderen Landsleuten austauschen», so Zaranska.
Sie könne noch immer nicht glauben, was ihr Aufruf vor knapp einem Jahr ausgelöst habe. Betroffen von den Geschehnissen in der Ukraine, rief sie damals mit Hilfe eines Flyers ihre Freunde und Bekannten auf, Hilfsgüter bei ihr vorbeizubringen. «Ich wollte als alleinerziehende Mutter auch etwas dazu beitragen, um meinen ukrainischen Schwestern und Brüdern zu helfen», sagt die gebürtige Polin. Und das tut sie bis heute. Die Güter, die auf Zaranskas Garagenplatz landen, werden sortiert und entweder im Free Shop angeboten oder in die Ukraine geschickt und dort an Bedürftige verteilt.
Das Telefon klingelt. Zaranska wechselt von Englisch auf Russisch. Die Sprache, die sie in ihrer Schulzeit in Südpolen in der Nähe von Katowice lernte, ist für ihr Engagement besonders hilfreich. Jemand habe ihr Spitalbetten angeboten. «Der Transporter ist nun aber schon wieder unterwegs», sagt Zaranska. Doch aus Erfahrung weiss sie, dass es für alles eine Lösung gibt.
Die Mutter eines zehnjährigen Sohnes ist zur Managerin ihres eigenen wohltätigen Unternehmens geworden. «Gosha for Ukraine» steht in blauen Lettern auf Flyern und Visitenkarten, die auf dem Esstisch verteilt sind. In ihrem Haus und ihrer Garage wuseln Volontäre und Helfer herum. «Wir sind wie eine Firma, doch alles ist gratis», sagt Zaranska und lacht.
Manchmal erhält sie nicht nur Waren, sondern auch Geldspenden. Damit konnte sie bereits mehrere Generatoren in Polen kaufen und in die Ukraine schicken. Gerne erinnert sie sich an eine abgegebene schutzsichere Weste, die ihren Dienst mehr als erfüllt hat. «Sie rettete einem ukrainischen Soldaten das Leben. Er ist mit ein paar gebrochenen Rippen davongekommen.»
Es sind diese kleinen Erfolgserlebnisse und Geschichten, die sie antreiben. Die Schicksale der Ukrainerinnen und Ukrainer gehen ihr sehr nahe. «Ich habe lange für ein internationales Unternehmen in der Schweiz gearbeitet und bin geschäftlich oft in der Ukraine gewesen», sagt Zaranska. Dort habe sie eine Beziehung zum Land und zu ihren ukrainischen Arbeitskollegen aufgebaut.
«Ich denke oft an meine Freunde. Menschen, die wie ich jeden Tag ins Büro arbeiten gingen, einen guten Job und ein normales Leben hatten und nun in einem Bunker ausharren, ihre Heimat verlassen mussten oder gar umgekommen sind.»
Ihr Wissen und ihre berufliche Erfahrung als ehemalige Leiterin der europaweiten internen Kontrolle eines globalen Lebensmittelkonzerns lässt sie nun in «Gosha for Ukraine» fliessen. Dass sie sich so stark engagieren kann, hat auch mit ihren privaten Umständen zu tun.
«Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, war ich arbeitslos und hatte Zeit.»
Sie war gerade dabei, ihr Leben nach einem Burn-out neu zu ordnen. «Plötzlich hatte ich wieder eine Aufgabe.» Für die Killwangenerin ist ihre Wohltätigkeit eine Art Selbsthilfe, sie beschreibt sie gar als Therapie. «Früher kontrollierte ich Leute bei der Arbeit, ich spielte sozusagen Polizei. Heute tue ich etwas Sinnhaftes, Erfüllendes», sagt Zaranska.
Auch die Gemeinde, in der sie seit elf Jahren zu Hause ist, habe sie dank ihres Engagements besser kennen gelernt. «Früher ging ich arbeiten und kam abends nach Hause. Vom Dorfleben habe ich nicht viel mitbekommen. Heute kenne ich viel mehr Leute und habe Killwangen schätzen gelernt.»
Eigentlich wollte sich Zaranska, die überdies im Zürcher Gemeinschaftszentrum Loogarten in Altstetten auch noch eine ukrainische Bibliothek eingerichtet hat, als Wohltätigkeitsmanagerin zurückziehen und die Abgabestelle schliessen. «Doch es wird nach wie vor Hilfe benötigt und meine ukrainischen Volontäre baten mich darum, weiterzumachen.»
Wie lange sie den Kindergarten Zelgmatt noch für ihren Einsatz nutzen kann, weiss sie nicht. «Sobald Kindergartenkinder ihn wieder brauchen, müssen wir raus.» Die Zukunft von «Gosha for Ukraine» ist also ungewiss. «Ich liebe diese Arbeit und die Abwechslung. Ich bin sicher, dass ich mich auch weiterhin in irgendeiner Form für das Wohl anderer einsetzen werde», sagt Zaranska und fügt mit einem Augenzwinkern an: «Doch irgendwann muss ich ja selbst wieder ein bisschen Geld verdienen.»
Für Spender: Montags von 16 bis 19 und samstags von 10 bis 13 Uhr. Für Flüchtlinge: Samstags von 14 bis 18 Uhr. Der Kindergarten Zelgmatt befindet sich an der Zelgmattstrasse 8 in Killwangen.