Die Stadt Baden verschickte ein Merkblatt mit Chindsgi-Kriterien, die viele Eltern leer schlucken liessen. Wie sich herausstellte, stammt das Blatt aus dem Kanton Zürich, die Kriterien sind veraltet.
In wenigen Monaten beginnt für die vier- und fünfjährigen Kinder ein neuer Lebensabschnitt: der Kindergarten. Eine Herausforderung für Gross und Klein, die nicht zu unterschätzen ist: Während die Kleinen ihren ersten Schritt in die Selbstständigkeit machen müssen, heisst es für die Eltern loslassen.
Um den Kindern den Eintritt in den Kindergarten zu erleichtern, hat die Stadt Baden den betroffenen Eltern kürzlich ein «Merkblatt zur Kindergartenreife» zugestellt. Was laut Lisa Lehner, Schulleiterin Kindergarten Schule Baden, «gut gemeint» war, hat bei vielen Eltern in Baden zu Verunsicherung geführt.
Grund dafür sind die zehn «wichtigen Reifekriterien für einen guten Start» auf dem Merkblatt: Zum Beispiel sollen Kinder keine Windeln mehr tragen, selber aufs WC gehen, sich die Nase selber putzen und zehn Minuten still sitzen können. «Nicht alle Kinder verfügen über diese Reifekriterien», sorgen sich manche Eltern.
Dass die Schule Baden diese Kriterien vom Kindergartenverband des Kantons Zürich (KVZ) übernommen hat, stösst auch auf Unverständnis. Tatsache ist: Im Kanton Aargau gibt es laut dem Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) nur ein Kriterium: das Alter, Stichtag ist der 31. Juli.
«Eigentlich wollten wir selber ein Merkblatt verfassen», erklärt Lisa Lehner. Dann sei sie auf das Merkblatt des KVZ gestossen. «Wir waren der Meinung, dass diese Kriterien gut formuliert sind. Nach Rücksprache mit dem KVZ haben wir diese übernommen.» Was Lehner nicht wusste: Das Merkblatt des KVZ ist derzeit in Bearbeitung, weil es den Anforderungen an die harmonisierten Schulstrukturen (Harmos) angepasst werden muss.
Brigitte Fleuti, Präsidentin des KVZ, erklärt: «Da der Stichtag für den Kindergarten am 31. Juli ist, besuchen heute bereits 4-jährige Kinder den Kindergarten.» Deshalb könne nicht mehr von Reifekriterien gesprochen werden. «Wir haben das Merkblatt daher umformuliert und sprechen nicht mehr von Kriterien, sondern von Empfehlungen.» Da das Merkblatt beim Volksschulamt in Vernehmlassung sei, könne sie keine detailliertere Auskunft geben.
Dass es jetzt durch das Wort (Reife-) Kriterien bei Badener-Eltern zu Missverständnissen kommt, versteht Lehner. «Es steht zwar nirgends, dass diese eingehalten werden müssen. Vielleicht hätten wir das Wort Kriterium trotzdem ersetzen sollen», gibt sie zu.
Mit dem Merkblatt habe die Schule Hilfestellung leisten wollen. «Es gibt viele Eltern, die nicht wissen, wie weit ihr Kind beim Eintritt in den Kindergarten sein sollte.» Daher habe die Schule Baden früh genug einige Anhaltspunkte liefern wollen. «Wir dürfen per Gesetz keine Kinder zurückstellen, auch nicht solche, die noch Windeln tragen.» Und gerade diese Kinder seien das Hauptproblem: «Es kann nicht die Aufgabe der Lehrpersonen sein, Kinder zu wickeln.» Es fehle schlichtweg die Zeit. «Eltern sollten sich bewusst sein, dass ihre Kinder beim Kindergarteneintritt trocken sein sollten.» Es gebe Kinder, die es aus psychischen Gründen noch nicht seien. «Eltern, deren Kinder noch Windeln tragen, sollten uns kontaktieren, damit wir zusammen Lösungen finden können.»
Kindergärtnerinnen stehen noch vor anderen Herausforderungen: Laut Lehner erkennen viele Kinder keine Grenzen oder haben sprachliche Probleme. «Crash-Kurse, wie es sie im Aarauer Telli-Quartier gibt, sind in Baden nicht vorgesehen», sagt Lehner. Dass solche im Telli-Quartier, wo viele fremdsprachige Menschen leben, sinnvoll sind, kann sie sich aber gut vorstellen. «Wir führen einen Einschulungsabend mit Eltern und Kindern durch.»
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