Fislisbach
Klaus Merz im Kulturzentrum: Es war ein Taumeln zwischen Worten und Sätzen

Der Aargauer Schriftsteller Klaus Merz hat im Kulturzentrum Fislisbach aus seinen Werken gelesen – unspektakulär, über den schwarzen Rand seiner Brille hinweg. Die Zuhörer hingen ihm an den Lippen.

Tabea Baumgartner
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Der Aargauer Schriftsteller Klaus Merz liest im Kulturzentrum – hier aus «Das Gedächtnis der Bilder».

Der Aargauer Schriftsteller Klaus Merz liest im Kulturzentrum – hier aus «Das Gedächtnis der Bilder».

Tabea Baumgartner

«Stoisch zieht der Riese westwärts . . .», liest Klaus Merz, «. . . und die Endlosigkeit tut sich auf.» Die literarische Reportage «O die See» hatte Klaus Merz nach einer Überfahrt nach Amerika verfasst. «. . . alleine mit Schiff, Meer, Himmel, Wind», liest er weiter. «Für einmal nur da sein. Das ist mehr, als uns üblicherweise möglich ist.»

Rund zwei Dutzend Menschen hingen dem Aargauer Schriftsteller an den Lippen, während er am Freitagabend im Estrich des Kulturzentrums Fislisbach aus dem vierten Band seiner Werkausgabe las – «Der Mann mit der Tür oder vom Nutzen des Unnützen». Unspektakulär las er über den schwarzen Rand seiner Brille hinweg, sodass der Fokus einzig und alleine dem Inhalt der Texte galt. Es folgten Ausschnitte aus dem fünften und sechsten Band der kürzlich erschienenen Werkausgabe sowie aus dem Gedichtband «Unerwarteter Verlauf».

Der andere Blick

Es ist der andere Blick auf das scheinbar normale Leben mit seinen aussergewöhnlichen Details, zu dem uns Klaus Merz mit seinen Texten verleitet. Dieser andere Blick bedient sich einer vierten oder gar fünften Dimension in der Betrachtung von Bildern, in der Beschreibung des Alltäglichen. Es sind diese Begegnungen zwischen Menschen, die getränkt sind mit menschlicher Absurdität, scheinbar banal.

Es sind die kurzen Momente des Schauderns, wenn die Zunge des Jünglings Adam im tiefsten Winter am metallenen Tor kleben bleibt. Wenn Merz seine geschriebenen Worte selber mit den Lippen formt, wird die Plastizität des Materiellen greifbar: das Blut, das Adam ausspuckt; der Stoff von Adams Mönchskutte, der in Vaters Hände fällt (aus: Adams Kostüm, in Brandmale des Glücks). Seine Texte lassen einen die Oberflächen neu befühlen – als würde man mit den Fingerspitzen über eine scheinbar glatte Tischplatte streichen und dadurch erst deren Rinnen und Furchen ertasten.

Von der Kolumne trieb es den Zuhörer zu den Bildbeschreibungen, über die Gedichte zu einer Kurzgeschichte: Es war ein Strudeln zwischen Bildern, Reisen und Lebensmomenten, das dem Publikum zugemutet wurde und über kurze Strecken zu einer nachlassenden Konzentration führte; ein Taumeln zwischen Worten und Sätzen, die wie Nähnadeln einen Saum bearbeiten oder wie Dartpfeile in der Baumrinde stecken bleiben. Es waren Worte, die Spuren hinterliessen, etwas wirr verteilt auf der Fläche des Inneren: zufällig aufwühlend, ohne klare Richtung. Ein Strudeln, das der Beschreibung des Menschlichen aber in seinem erzählerischen Rhythmus durchaus gerecht wurde.