Die Krebs-Studie der Weltgesundheitsorganisation stellt Würsten ein schlechtes Zeugnis aus. Befürchten Metzger nun Umsatzeinbussen? Und was sagen Passanten auf den Badener Strassen: Ist ihnen der Appetit auf Würste jetzt vergangen?
Die Wurst ist den Menschen in Baden und Region nicht wurst. Der Grillstand vor dem Coop-Take-away am Bahnhof Baden ist zur Mittagszeit stets heiss begehrt. Cervelats, Brat- und Schweinswürste gehen zuhauf über die Ladentheke und die Kunden beissen direkt nach dem Kauf genüsslich in die knackige Kost.
Den Appetit scheint den Wurstessern die Anfang dieser Woche erschienene Studie der zur WHO gehörenden Krebsforschungsagentur (IARC) nicht zu verderben. Laut den Resultaten der Untersuchung soll der Verzehr von verarbeiteten Fleischerzeugnissen, insbesondere Wurst und Schinken, krebserregend sein. Wer täglich 50 Gramm verarbeitetes Fleisch zu sich nehme, erhöhe damit das Darmkrebsrisiko um 18 Prozent, so die Agentur.
Am Bahnhof Baden zeigen sich die Passanten davon wenig beeindruckt. «Würste werden seit Jahrhunderten gegessen. Wenn man sie in normalem Mass konsumiert, schädigt das niemanden», findet Markus Gasser und verspeist ein Stück seiner Kalbsbratwurst.
Was bedeuten die Resultate für Menschen, die ihr Geld mit der Herstellung und dem Verkauf von Würsten verdienen? Müssen Metzger nun Angst haben, dass sie ihre Würste nicht mehr unter die Leute bringen? Thomas Müller, Metzgermeister der Metzgerei Müller in Baden, bereiten die Befunde keine Sorgen. Die Studie habe überhaupt keinen Einfluss auf seine Kunden, denn diese würden Qualitätsprodukte schätzen.
«Für mich sind solche Studien wie Wellenbewegungen. Auf eine Studie folgt nach drei, vier Jahren eine neue, die in die Gegenrichtung zeigt, und dann ist man wieder gleich weit wie vorher», sagt Müller, der jährlich 40 Tonnen Würste verkauft. «Laut diesen Studien ist alles ungesund, aber wir werden trotzdem immer älter. Das widerspricht sich.»
Am besten solle man mit Mass geniessen und Acht geben, was man kaufe, ist der Metzgermeister überzeugt. Diese Meinung teilt auch Christa Schmid, Geschäftsinhaberin der Dorfmetzg Schmid in Birmenstorf. «Paracelsus hat schon gesagt, die Menge macht das Gift. Gesund ist eine ausgewogene Ernährung und dazu gehört auch Fleisch.» Die Zahlen stünden in keinem Verhältnis, so Schmid.
«Die Leute wissen bereits, dass der tägliche Verzehr von Cervelats nicht gesund ist.» Ihre Kunden würden alle gelassen reagieren und fänden, dass es Wichtigeres gebe als diese Studie. Für den Fall, dass ihre Kunden trotzdem Ängste äussern würden oder Interesse an Informationen hätten, lege sie ein Gegenargumentarium zur Studie vom Schweizer Fleisch-Fachverband in ihrer Metzgerei auf. Darin sei zum Beispiel zu lesen, dass Krebserkrankungen durch verschiedene Faktoren verursacht werden.
Albert Köferli, Inhaber der Metzgerei Köferli in Döttingen, sieht in der Studie nicht nur Information und Schutz, sondern vielmehr Panikmacherei. «Wenn dies so ist, kann man ja bald nichts mehr essen. In jedem Lebensmittel finden die Forscher etwas Schädliches.»
Wichtig erscheint auch ihm eine ausgewogene Ernährung. Auswirkungen auf den Konsum von Wurstwaren erwartet auch Patrick Schmid, Metzger-Verkäufer in der Metzgerei H. Felchlin in Ehrendingen, nicht. «Den Leuten wird jeden Tag mit etwas Neuem Angst gemacht. Vereinzelte werden denken, dass sie weniger Wurstwaren essen sollen, aber ich glaube nicht, dass sich grundsätzlich etwas ändern wird.»
Eine Chance in den Resultaten der Studie erkennt als einziger Matthias Anliker, zukünftiger Inhaber des Lebensmittelladens «Naturata» in Wettingen. «Solche Studien liefern Diskussionsstoff und haben das Potenzial, die Leute dazu zu bringen, bewusster mit Lebensmitteln umzugehen.» Angst zu haben vor dem Ergebnis der Studie sei aber der falsche Ansatz. «Lieber etwas weniger Fleisch und wenn Fleisch, dann gut produziertes Biofleisch», ist Anlikers Devise.
Auch wenn die meisten Menschen der Studie kritisch gegenüberstehen, so hat sie doch eines bewirkt: nämlich, dass die Wurst so oder so in aller Munde ist.
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