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Der freischaffende Künstler und Zeichnungslehrer Daniel Rehmer ist stets auf der Suche nach Inspiration. Er will Kunst erleben, sehen und übermitteln. Trotz aller Leidenschaft – Kunst kann für ihn auch eine Plage sein
Tag für Tag verbrachte er Stunden im Musée Rodin in Paris. Er schaute sich die Exponate des Künstlers Auguste Rodin an, liess sich inspirieren und füllte ein Skizzenbuch nach dem anderen. «Ich war so oft dort, dass ich den Aufsehern auffiel und mit ihnen Bekanntschaft schloss», blickt Daniel Rehmer zurück. Zuletzt hätten sie ihm beim Zeichnen gar Tipps gegeben.
Rehmer (53) sitzt in seinem Kunstatelier im Kornhaus in Baden. Hier arbeitet er als freischaffender Künstler und unterrichtet Zeichnen und Malen. Er trägt ein kariertes Hemd, Jeans und Sneakers. Mit Freude erinnert er sich an seinen mehrmonatigen Aufenthalt in Paris zurück, als er Anfang zwanzig war. «Eigentlich wollte ich an der Académie de la Grande Chaumière studieren», sagt Rehmer und fügt mit einem Lachen an: «Stattdessen glänzte ich durch Schwänzen. Mich zog es raus in die Museen.»
Die Paris-Episode ist typisch für Daniel Rehmer: Er ist stets auf der Suche nach Inspiration, nach dem Werk, das ihn erfüllt. Er will Kunst erleben, sehen, riechen und übermitteln. Das auch im Unterricht. «Meine Schüler sollen durch Zeichnen und Malen in die Welt der Kunstgeschichte eintauchen und diese schätzen lernen.» Die Kursteilnehmer seien im Durchschnitt zwischen 30 und 80 Jahre alt und sehr engagiert. Von Zeit zu Zeit organisiert er mit seinen Schützlingen eine Ausstellung. Das führe immer wieder zu Aha-Momenten: «Erst, wenn sie nebst einem Haufen Schrott drei bis vier brauchbare Werke produziert haben, realisieren sie, wie viel Aufwand hinter einer Ausstellung steckt.»
Für ihn ist es wichtig, dass sich seine Schüler mit der Kunst und deren Hergang auseinandersetzen. «Hinter jedem Werk, so banal und einfach es auch aussehen mag, steckt ein langer Arbeitsprozess», sagt Rehmer, der in Baden aufgewachsen ist und mit seiner Frau, die in der Sprachwissenschaft arbeitet, in Winterthur wohnt. Dass viel Arbeit nötig ist, weiss er aus eigener Erfahrung: Er geht täglich ins Atelier und schaut nach, was er am Vortag produziert hat. «Manchmal erschrecke ich und schmeisse sackweise Müll weg. Manchmal hingegen sage ich mir: ‹Oh, das gefällt mir›.» Er konzentriert sich vor allem auf die Konzeptkunst, bei der Druckgrafiken, Schriften und verschiedene Materialien wie Linoleum zum Zug kommen. Mit seinen Schülern hingegen produziert er Werke verschiedener Kunststile.
Für Rehmer war früh klar, dass er einmal künstlerisch tätig sein will. «Als Kind verbrachte ich Stunden mit Zeichnen und Malen.» Ob mit Bleistift, Tinte oder Aquarell, er experimentierte mit Farben und Formen, was das Zeug hielt. So blieb es auch während der Schule. Dass Rehmer einen Drang zum Künstlerischen hatte, bemerkte auch der Berufsberater in der Oberstufe. «Er versuchte, meinen Eltern behutsam beizubringen, dass ich wohl nicht in die akademischen Fussstapfen meines Vaters treten würde», sagt Rehmer und fügt an: «Als meine Eltern seine Aussage mit einem Lachen erwiderten und ihm sagten, dass es für sie kein Problem sei, war er total erleichtert.»
So begann Rehmer nach der obligatorischen Schulzeit eine Ausbildung zum Modezeichner in Zürich. Mit dem Diplomabschluss in der Tasche folgte der Vorkurs an der Kunstgewerbeschule Zürich und verschiedene Aufenthalte im Ausland. Einmal zurück, unterrichtete Rehmer an mehreren Migros-Klubschulen Zeichnen und Kunstgeschichte, auch in Baden. Mit knapp 30 Jahren entschied er, ein eigenes Kunstatelier zu eröffnen. Er blieb im Kornhaus hängen – dort, wo er als Sechsjähriger seinen ersten Malkurs besuchte. Seit 1992 ist das «Atelier Extrehmer» nun seine Wirkstätte. Dank der Mal- und Zeichnungskurse kann er von der Kunst leben. «Zu weibeln und Werbung in eigener Sache zu machen, liegt mir nicht. Deshalb ist diese zweite Einnahmequelle bedeutend.»
Trotz aller Leidenschaft: Es gibt Momente, in denen die Kunst zu dominant wird. Dann fällt es Rehmer schwer, das künstlerische Schaffen vom Privatleben zu trennen. «Dieses Spannungsfeld ist manchmal kaum auszuhalten. Aber ich kann mich der Kunst nicht entziehen. Sie ist ein Teil von mir.», sagt Rehmer und fügt an: «Nichts befriedigt mich mehr als die Kunst, gleichzeitig kann mich nichts so tief verletzen wie die Kunst.» Also ist es kein Klischee, dass Künstler in einer eigenen Welt leben? Rehmer überlegt kurz und nickt. Dann fügt er mit einem Lachen an: «Meine Schüler und meine Frau sagen mir, dass mich das Unterrichten erden würde.» Es tue ihm gut, wenn er im Zug an neuen Modellen für die bevorstehenden Kurse arbeiten könne. «Das lenkt mich von meinen eigenen Projekten ab, ein wenig zumindest.»
Obwohl ihn die Kunst manchmal 24 Stunden am Tag «plagt», wie er selber sagt, fühlt er sich in seiner Welt wohl. Als er vor einigen Jahren genug hatte, begann er, Gedichtbände zu schreiben und zu verlegen. Dabei wurde ihm erst richtig bewusst, dass er ohne Kunst nicht leben kann. Auf die Frage, was ihn an der Kunst denn so fasziniere, antwortet Daniel Rehmer: «Ich kann es nicht beschreiben. Wenn ich es wüsste, hätte ich aufgehört, Künstler zu sein.»