Kurtheater
Singen hilft immer: Mit «King Size» hat das Kurtheater Baden erstmals eine Inszenierung von Christoph Marthaler vorgestellt

Die Aufführung des Stücks von Starregisseur Marthaler war ein heiter-melancholischer Liederabend im Kurtheater. Im Stück spielt zudem auch ein bekannter Schweizer Chansonnier mit.

Elisabeth Feller
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Der Schweizer Michael von der Heide und die Norwegerin Tora Augestad spielen die Hauptrollen im Stück «King Size» von Starregisseur Christoph Marthaler.

Der Schweizer Michael von der Heide und die Norwegerin Tora Augestad spielen die Hauptrollen im Stück «King Size» von Starregisseur Christoph Marthaler.

Simon Hallström

Ein Hotelzimmer mit dezentem, aber gleichwohl auffallendem Interieur: ein Kingsize-Bett, blaugeblümte Tapete, türkisfarbene Schränke, Schminktisch mit Spiegel und Telefon sowie Blumenstrauss. Wie viel Uhr ist es? Das darf man den Regisseur und Musiker Christoph Marthaler nie fragen, denn die Zeit spielt bei ihm keine Rolle. Nehmen wir an, dass es Nacht ist, weil der Mann im Kingsize-Bett schläft. So tief, dass er nicht einmal dann aufwacht, wenn es aus den Lautsprechern mehrsprachig säuselt: «Es ist ausdrücklich erlaubt, Bonbons zu essen und das Smartphone nicht abzuschalten.» Erste Lacher, denn jetzt ist klar, dass dies den Auftakt zu einem heiter-melancholischen Liederabend markiert, bei dem es laut Stefanie Carp, künstlerische Weggefährtin Marthalers, «um Bühnenwelten aus Krisen, verfehlte Versuche, Einsamkeit, Lächerlichkeit und Hysterie und aber auch um Liebe geht.»

Zwischen Heiterkeit und Melancholie

All dies ist in «King Size» zu entdecken. Beispielsweise die stets misslingenden Versuche eines Paars, gespielt von Tora Augestad und Michael von der Heide, zu sich zu finden. Da hilft auch nicht die Flucht in die Schränke, denn diese werden von einer älteren Dame (Nikola Weisse) geöffnet, die Merkwürdiges von sich gibt wie: «Es gibt Notenständer, die noch nie eine Note gesehen haben» – oder Merkwürdiges aus der Handtasche holt, wie zum Beispiel Spaghetti. Diese isst sie mit einem langen Stab, der ebenso Schuhlöffel wie Rückenkratzer sein könnte. Später entnimmt sie ihrer Tasche Salat, den sie genüsslich kaut. Zwei Blätter lässt sie auf den Boden fallen. Von dort werden sie «aufgepickt» von der Sängerin, die sich langsam von ihrem Versteck unterm Bett hervorgerobbt hat. Das wirkt gleichermassen verzweifelt wie komisch.

Lauthals darüber lachen mag man aber weder hier noch in den Szenen heimlicher Begegnungen oder jäher Vereinsamung. Doch wenn alles aussichtslos erscheint, hilft eines immer: Singen. Egal, ob Schlager, Popsongs, barockes Lied, Wagner-Arie oder Mozarts Ensembleszene aus «Die Hochzeit des Figaro»: Es funktioniert perfekt. Zumal sich der schlafende Mann der Eingangsszene als feinfühlig unterstützender Pianist Bendix Dethleffsen entpuppt, der es am Ende auf dem Synthesizer mit dem Adagietto aus Mahlers Sinfonie Nr. 5 zart scheppern lässt. Hat man es wirklich erkannt? Selbst wenn es nur ein Traum gewesen sein sollte – er würde sich einfügen in eine Inszenierung, die Christoph Marthaler wunderbar in der Schwebe zwischen Heiterkeit und Melancholie hält.