Baden
«Lesbische Freundschaften werden heute immer noch tabuisiert»

Mit ihrem Buch über frauenliebende Frauen über siebzig schrieb Corinne Rufli einen Bestseller. Nun hat sie im Royal eine Lesung mit lesbischen Frauen organisiert.

Patrick Hersiczky
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Corinne Rufli stösst auch bei ihrer Lesung im Royal auf grosses Interesse.

Corinne Rufli stösst auch bei ihrer Lesung im Royal auf grosses Interesse.

„Sichtbarkeit ist für lesbische Frauen in unserer Gesellschaft wesentlich“, sagte Autorin Corinne Rufli. In ihrer Rede im ausverkauften Royal machte sie klar, wie wichtig es sei, dass diese Frauen ihre Geschichten erzählen. Und dass das Mut brauche. „Seit dieser Nacht war ich wie verzaubert“ heisst das Buch der Badenerin. Darin erzählen elf frauenliebende Frauen über siebzig aus ihrem Leben – und brechen damit ein Tabu. Die Publikation sorgte schweizweit für Aufsehen, denn die Frauen sind Zeitzeuginnen einer Generation, die bis heute nicht wahrgenommen wird.

Nach zahlreichen Lesungen im In- und Ausland führte Rufli in Baden eine Diskussionsrunde mit lesbischen Frauen aus unterschiedlichen Generationen. „Wein, Weib und Vibes“ hiess der von Frauen dominierte lustvolle Abend. Naomi (23) und Elvira Kray (24), die eine gemeinsame Tochter haben, erzählten ihre Geschichte.

Zusammen mit der 82-jährigen Liva Tresch, die im Kanton Uri aufgewachsen ist und im Buch porträtiert wird, redeten sie über die erste Liebe, fehlende Vorbilder und das Coming-out. Zwischen den Frauen liegen 60 Jahre: Doch damals wie heute gibt es eine gesellschaftliche Ausgrenzung lesbischer Frauen und zu wenig positive Bilder.

Vegan war für Nonna schon zu viel

Elvira und Naomi erzählten, dass sie sich manchmal für ihren Lebensweg rechtfertigen müssten: „Einmal sprach uns ein Fremder an und konnte nicht verstehen, warum wir gemeinsam ein Kind haben.“ Elvira, die im Gegensatz zur leiblichen Mutter Naomi keine Rechte am Kind hat, hatte ihr Coming-out mit 16. „Meine Eltern reagierten verständnisvoll“, so die 24-Jährige, „doch meine Nonna in Italien weiss nichts. Für sie war es schon schwierig genug, dass ich vegan lebe.“ Immer wieder führten witzige Anekdoten zur Erheiterung des Publikums.

Erinnerungen bewahren

Auch die 82-Jährige erzählte mit Humor, der einem bislang im Hals stecken blieb, aus ihrem Alltag. Unehelich geboren und in einer Pflegefamilie aufgewachsen, erlebte sie mehr Gewalt als Liebe. „Ich hatte keine schöne Kindheit, doch zum Glück gab es die Pfadi.“ Sie sprach offen über ihre damaligen Suizidgedanken: „Ich schwamm einmal über den Urnersee und bin dabei nicht ertrunken. Der Herrgott wollte das vielleicht so.“

Mit 21 verliebte sie sich in eine Frau. „Zum ersten Mal wurde ich richtig geliebt.“ Trotz einiger Kraftausdrücke ist Tresch im Kern eine verletzliche Frau, die mit Zufriedenheit auf ihre Geschichte zurückblickt. Rufli resümierte, wie wichtig es sei, die Geschichten dieser Generation einzufangen.